Teil I – Presse-Event, Scoutaktion, Neuheiten

[Jens] Schon Martin Luther sagte: “Wo kein Spiel, da kein Leben”. Dass er damit recht hat, sehen wir kurz vor dem großen 500. Reformations – Jahrestag. Denn es finden die internationalen Spieltage in Essen statt, die wohl wichtigste und größte Spielemesse rund um das Thema Gesellschaftsspiele.

Fangen wir mit den Zahlen und Fakten an: 1100 Aussteller aus 51 Nationen belegen 72.000 qm Ausstellungsfläche. Erwartet werden in diesem Jahr über 175.000 Besucher, gekommen sind gar 182.000, was einen Bestwert darstellt. Ca. 65% der Besucher kommen aus dem Ausland. Der deutsche Brettspielmarkt legt nach Auskunft von Hermann Hutter, dem Vorsitzenden des Branchenverbandes “Spieleverlage e.V.” im Segment Kartenspiele ein Wachstum von 4,5% hin, im Segment Familienspiele 10% und bei den Strategiespielen sogar satte 19%. Davon träumen andere Branchen. Das alles sind kommerzielle Zahlen, die eigentlich weniger interessant für uns Spiele-Geeks sind. Aber sie sind sehr wichtig, denn sie spiegeln die Lebenskraft der analogen Brettspielbranche wieder, und das im Zeitalter der Digitalisierung.

Das Wachstum gilt auch für die Berichterstattung. In diesem Jahr sind deutlich mehr Pressevertreter in der PK anwesend. Insbesondere die Social Media – Zunft ist gewachsen Blogger, Youtuber und Podcaster bestimmen das Bild. Das ist ein gutes Zeichen, denn offensichtlich gibt es gute Gründe, über Brettspiele zu schreiben, zu reden oder sie zu zeigen. Bleibt zu hoffen, dass die “Neuen” sich etablieren und lange dabei bleiben. Denn der Zeitaufwand für das Spielen selbst, das Verfassen von Artikeln oder Schneiden von Takes ist nicht zu unterschätzen. Und nicht wenige machen es nebenbei.

Die Pressekonferenz ist in diesem Jahr erfreulich belebend. Nicht nur, dass Veranstalterin Dominique Metzler aus turbulenten Anfangszeiten berichtet, als 5000 wartende Besucher vor der völlig überfüllten Essener Volkshochschule standen um die ersten Spieltage zu besuchen, auch Buchautor Sebastian Fitzek plaudert aus dem Nähkästchen und berichtet, wie das auf einem seiner Krimis basierende “Safehouse” beim moses – Verlag landete und dass er selbst, bedingt durch seine Kinder, gerade häufiger Lotti Karotti spielen muss.

Ein neuer Spielpreis

Ein weiteres belebendes Element ist der neue Spielepreis “Innospiel”, der während der Pressekonferenz vergeben wird , also nicht ganz so exklusiv, wie der Deutsche Spielepreis, der eine eigene Abendveranstaltung hat. Im Namen steckt das Wort “Innovation” denn um diese innovativen Elemente geht es, die in einem Brettspiel enthalten sein können. Nominiert sind in diesem Jahr Fabelsaft, Lyngk und Magic Maze, das denn auch das Rennen macht. Magic Maze bringt Innovation durch eine neue und höchst unterhaltsame Art und Weise, wie die Spieler ihre Spielfiguren bewegen.

Leider ist der bisherige Zusatzpreis, die “Essener Feder” für die verständlichste Spielregel, ersatzlos gestrichen, aber wer weiß, vielleicht kommen Brettspiele ja irgendwann ohne komplizierte Anleitung aus. Erste Ansätze dafür gibt es bereits. Und der neue Preis dürfte verkaufsfördernder wirken, denn Spielregeln sind im Allgemeinen höchst unbeliebt.

Die Neuheitenschau

In der Neuheitenschau werden alle Messe-Neuheiten von den Pressevertretern der Verlage präsentiert. Das verschafft einen guten Überblick und bringt den Vorteil, schnell und von offizieller Seite informationen zu den Spielen zu erhalten.

Einige Spiele suchen wir aber vergeblich und lernen, dass manche laufenden Kickstarter – Projekte als unveröffentlicht und daher nicht als Neuheit gelten. Diese Spiele haben somit keine Berechtigung, auf der Neuheitenschau gezeigt zu werden.

Ein besonderes Highlight in diesem Jahr ist es, das besonders in den letzten Jahren sehr erfolgreiche Autorenpaar Inka und Markus Brand persönlich kennenlernen zu dürfen. Sie stellen uns die Huch – Neuheit “Rajas of the Ganges” vor. Sohnemann und Nachwuchs – Autor Lukas zeigt uns im Anschluss direkt das neue “Schummel Hummel” bei Drei Magier Spiele, das ein weiterentwickeltes “Mogel Motte” sein soll.

Sebastian Fitzek ist persönlich anwesend und sorgt dafür. dass am moses Stand großes Gedränge herrscht. Alle möchten etwas über Fitzeks “Safehouse” erfahren. Dieses Spiel dürfte einer der Hits der diesjährigen Messe sein.

Einen innovativen Ansatz verfolgt das Kartenspiel “Sneaky Cards” bei Amigo- Spiele, das von zwei gut getarnten Geheimagenten präsentiert wird. Die Sneaky Cards, werden nicht in herkömmlicher Art ausgespielt, sondern sie enthalten eine Aufgabe. Nach Erfüllung wird die Karte dauerhaft an eine andere Person weitergegeben. Um zu sehen, wo die Karten geblieben sind, können sie online nachverfolgt werden. Es ist also offensichtlich eine kleine Geocaching – Komponente eingebaut. Man darf gespannt sein, ob das Konzept funktioniert.

Die Fairplay Scoutliste – ein Kommentar

Ein wichtiger Gradmesser über die Güte der präsentierten Spiele ist die Fairplay Scout-Aktion, bei der probegespielte Neuheiten mit einer Note versehen werden. Ungewöhnlicherweise kommt in diesem Jahr nur etwas schwerfällig in Gang, so dass mehrfach zur Abgabe von Bewertungen aufgerufen wird. Nichtsdestotrotz sehen wir am Messesonntag ein Ergebnis. Bei der finalen Rangliste sollte man aber genau hinsehen, denn viele Spiele sind punktgleich, so auch die beiden Erstplatzierten. Es lohnt sich in jedem Fall auch, einen Blick auf die “guten Spiele mit wenigen Noten” zu werfen, denn sie haben nicht viel Abstand.

Platz 1 – punktgleich mit Bewertung 4.4.

Clans of Caledonia – Dem Spiel wird eine gewisse Ähnlichkeit vom Spielgefühl her mit Terra Mystica nachgesagt

Gaia Project – der ”echte” Terra Mystica Nachfolger mit Science Fiction Thema

Platz 3 mit Bewertung 4.2.

Azul – Das hübsche und eingängige Lege- und Verteilspiel kommt als Familienspiel offenbar auch bei Spielekennern gut an.

Platz 4 punktgleich mit Bewertung 3.9

Altiplano – steht im Erbe des großartigen Orleans und besitzt den größten Startspieler- Marker der Messe: ein Alpaka

Rajas of the Ganges – Manchen ist die Grafik zu bunt. Das Spiel scheint aber nicht nur wegen seines neuartigen Siegpunkte – Mechanismus (zwei sich entgegenkommende Leisten) interessant zu sein

Platz 6 – punktgleich mit Bewertung 3.8

Istanbul Würfelspiel – Der Trend, erfolgreiche Brettspiele mit Würfelspiel Varianten auszustatten, geht weiter, Istanbul das Würfelspiel ist ein gelungener Aspirant dieser Kategorie.

Heaven & Ale – eggertspiele und Bier…..dazu mehr weiter unten

Noria – Hat möglicherweise eine etwas hohe Einstiegshürde, sonst wäre es vielleicht höher gerankt worden.

Memoarrr! – Das kleine flinke Memo Spiel entpuppt sich als echter Messeschlager. Alle schwärmen von Memoarrr!

sdr

Platz 10 – Bewertung 3.7

Calimala – Ein feiner Italiener, demnach ein echtes Eurogame, fast schon erwartet in den Top 10

Platz 11 – Bewertung 3.6

Merlin – Ein Queen Games Spiel in der Hitliste, das kommt so oft nicht vor. Aber Merlin weiß mit Thema und Spielmechanik zu überzeugen.

Die Auszeichnungen

Der Deutsche Spielepreis geht in diesem Jahr an Terraforming Mars, das in seiner deutschen Version beim Schwerkraft Verlag erschienen ist. Vorher ist das Spiel bereits für das Kennerspiel des Jahres nominiert. Das veranlasste Allein-Verleger Carsten Reuter dazu, erstmals eine feste Mitarbeiterin anzustellen. Denn der auf Lokalisierung vielversprechender internationaler Titel spezialisierte Kleinverlag hat mit Erweiterungen für Terraforming Mars, Valeria und Klong! wieder einige Kracher im Gepäck.

Den Deutschen Kinderspiel – Preis gewinnt in diesem Jahr IceCool, das bereits zum Kinderspiel des Jahres gekürt wurde. Der Kartenspil-Preis “ A La Carte“, der von der Zeitschrift 2Fairplay verliehen wird, bekommt des bissige Les „Poilus“

 

 

Die Neuheiten der Verlage – eine Auswahl

Man kann nicht umhin, zu sagen, dass Asmodee ein neues Level der Messe – Präsentation aufgeschlagen hat. In Halle 1 befindet sich ein riesiges Areal mit großer Tv-Leinwand, auf der via Twitch während der gesamten Messe übertragen wird. Trotz sehnlichst erwarteter Top – Titeln wie Pandemic Legacy Season 2, Massive Darkness oder Legends of the five Rings weiß auch ein kleines Katzenspiel die Promofläche zu nutzen. Das neu ins Vertriebsprogramm aufgenommene Exploding Kittens ist nicht zu übersehen.

Ravensburger indes geht einen anderen, ebenfalls neuen Weg und lädt zu einem gesonderten Presse-Event ein. Dort verkündet man, dass Alea zukünftig wieder vollständig in den Vertrieb von Ravensburger wandert und dass im nächsten Jahr Inka und Markus Brand und Alea Flagge das Legacy Spiel “The Rise of Queensdale” herausbringen werden.

Kosmos setzt seine Exit – Reihe fort. Drei neue Titel sind bereits kurz vor der Messe erschienen. Auch das Fundament der Ewigkeit, hat sein Release zeitgleich mit Ken Follets gleuchnamigem neuen Roman bereits vor der Messe, kann dann am Kosmos Stand ausgiebigen Tests unterzogen werden.

Noris Spiele setzt ebenfalls eine im letzten Jahr gestartete Escape Room Reihe fort. Das aktuelle Spiel hat als Besonderheit eine Art VR – Brille (nein, keine echte). Das funktioniert tatsächlich überraschend gut, sofern ein Smartphone vorhanden ist dessen Bildschirm für die VR Brille verwendet wird.

Mit “Bring your own Book” hat Noris noch eine kleine Überraschung im Gepäck in dem Spiel müssen die Spieler tatsächlich auf zuvor mitgebrachte Bücher zurückgreifen. Sie erhalten über eine Karte eine aufgabe die sie mit Hilfe des Buches erfüllen müssen.

Pegasus hat in diesem Jahr mit KingDomino das Spiel des Jahres und als Neuheit gleich dessen Nachfolger, QueenDomino. KingDomino glänzt durch sein einfaches Spielprinzip und wird sicher durch seine niedrige Einstiegshürde viele Käufer finden. QueenDomino offenbart ein paar mehr Möglichkeiten und könnte als Level up für KD- Käufer fungieren.

Huch! hat seinen Claim “and Friends” kürzlich abgelegt und er fehlt auch nicht. Mit Rajas in the Ganges nimmt uns Huch mit nach Indien. auch im Vertriebsprogramm ist einiges Interessantes zu sehen. Bei Iello hoppeln wir im Bunny Kingdom durch die Gegend oder kämpfen in Arena of the Gods mit den Göttern.

Ein neuer Rosenberg erscheint bei Lookout Spiele. “Nusfjord” entführt uns in skandinavische Traum -Landschaften, wo wir eine Fischfang – Flotte zum Erfolg führen müssen. Mit “Bummelbahn” hat Lookout das wohl bisher kleinste Eisenbahnspiel im Gepäck.

eggertspiele und Bier, das passt irgendwie zusammen, zumal es Tradition ist, das am Stand von eggertspiele an einem Messeabend Bier an geladene Gäste ausgeschenkt wird. Dieses Jahr passt die Aktion auch zum Portfolio, denn in “Heaven and Ale” geht es ums Bierbrauen. Bei der zweiten Neuheit “Reworld” wagt sich eggertspiele thematisch in neue Gefilde, denn ein Science Fiction Thema ist neu im Portfolio.

Im tiefen Südwesten der Republik hat sich ein kleiner Verlag und Vertrieb entwickelt, der sich auf die Lokalisierung internationaler Spiele spezialisiert hat. Mit DIG stellt Boardgame Circus ein kleines Legespiel mit 8-Bit Grafik vor, das stark an Videogames der 90er Jahre erinnert. Heldentaufe bedient die Fantasy und Dungeon Fans, ohne dabei zu komplex zu werden und bietet einen leichten Einstieg in die Welt der Dungeon Crawler. Das Stichspiel Pot du Vin hat neben dem reinen Stich-Mechanismus auch einen Symbol-Sammel-Mechanismus, mit dem es weniger berechnend, dafür aber intuitiver gespielt werden kann.

 

Gibt es Trends?

Eigentlich nicht wirklich. Weltraum, Western, Mittelalter und Horror sind immer wiederkehrende Dauerthemen. Hier und da sieht man Steampunk oder Geheimagenten. Nach den immer noch im Trend liegenden Escape- und Legacy Spielen ist aber vielleicht ein ganz kleiner Trend zu erkennen: Flucht. Einige Spiele haben Flucht als Thema oder im Titel: Safehouse, Flucht (2f) oder “Oh My Goods – Flucht nach Canyon Brook” (Lookout) .

Subjektiv sind mehr asiatische Spielthemen da. Tsukuyumi beim Kleinverlag King Racoon Games ist ein gutes Beispiel. Vor Jahren waren es nur Japon Brand und Antoine Bauza mit seinem Hang zu Japanischem, Jetzt sind es auch Anime – Verspielungen oder taiwanesische Polarbären.

Das Essen

Der Asia – Imbiss aus Halle 2 ist leider nicht mehr aufzufinden. Dafür aber die Kaffee-Ecke in der Galerie. Und der Softeis- Stand mit den vielen Streuseln ist auch da, allerdings wieder in Halle 2 statt bisher in Halle 7.

Die Food Trucks haben Einzug gehalten. Neben einem Steak Truck in der Galerie gibt es eine ganz Neue Food- Ecke zwischen Halle 7 und 8. mit einem Burger Truck, einem Pizza- Imbiss und einer kleinen Kaffeebar.

Noch ein paar Kleinigkeiten

Wir sehen einen Prototypen von „Carnival of Monsters“, das parallel zur Messe als Kickstarter Projekt läuft. Leider ist das Projekt inzwischen abgebrochen worden. Wir hoffen, dass es einen neuen Versuch gibt.

Ein ziemlich cooler Würfelturm fällt uns ins Auge. Der Würfel fällt auf einer Treppe den Weg hinunter. Es soll dazu in Kürze ein Kickstarter durchgeführt werden. Wir bleiben dran.

 

Teil II – Die Messe live und in Farbe – Ein Erlebnisbericht

[Lars] Endlich ist es wieder soweit. Die größte Verkaufsmesse für Brettspiele öffnet zum 35. Mal die Pforten, um zum eifrigen Testspielen und Kaufen einzuladen. Wieder einmal ist die Vorfreude auf die diesjährige SPIEL 2017 bei uns riesig, wieder einmal werden die Erwartungen mehr als erfüllt.

Aber lässt man die Eindrücke mal Revue passieren, muss man sich auch ebenso erneut die Frage stellen: Wieso tue ich mir das jedes Jahr an? Was macht hier die Begeisterung aus, was findet man am Ende denn so toll und wieso zur Hölle quält man sich freiwillig durch 4 Tage voller Hast, Müdigkeit, Fußschmerzen, Hunger und viel zu vielen Ausgaben…

Die Anfahrt als Besucher dauert (zu) lange, die Parkplatzsituation ist trotz angeblicher Verbesserungen in unserem Fall leider am ersten Tag katastrophal, die Menschenmassen laut und erdrückend, die stickige Luft in den von Menschen aufgeheizten Durchgangsstraßen meist sehr unangenehm und zudem auch noch deutlich Schweißgeruchs- intensiv. Von der immensen Belastung fürs heimische Girokonto mal ganz abgesehen..

Also nochmal: Was macht den Reiz einer solchen Veranstaltung aus? Für Aussenstehende kaum nachzuvollziehen und denkt man selbst mal einen Moment darüber nach, fällt es einem schwer, die positiven Argumente den erdrückenden Argumenten der schier unüberwindbaren Unwegbarkeiten vernünftig aufwiegend gegenüberzustellen. Und dennoch kann meine Antwort auf die Frage: „Wie fandet Ihr die SPIEL 2017“ auch dieses Mal faszinierender kaum sein..

Doch fange ich doch mal von vorne an:

Tag 1 – Donnerstag:

Der erste Tag beginnt mit besagter längerer Anreise und kaum bei der Messe angekommen (immerhin knapp eine Stunde vor Hallenöffnung) wird uns von freundlichen Verkehrshelfern die Zufahrt in eines der nahe gelegenen Parkhäuser verwehrt, um zu P10 zu fahren. Gut, denken wir, dann parken wir eben etwas weiter entfernt, schließlich haben wir gut gegessen (Soweit man ein Autobahn-Raststätten-Burgerfrühstück bei einer bekannten Fastfoodkette als solches bezeichnen kann). Aber als wir geschlagene 30 Minuten später, nach schier unendlich wirkenden Ein und Ausfahrten und einer gefühlten Durchschnittsgeschwindigkeit, bei der wohl jeder Radfahrer nur gelassen nach hinten schauen würde, ca 10 km vom Messegelände entfernt endlich durch den P10-Eingang gewunken werden, ist die Euphorie doch etwas der Ungeduld gewichen. Immerhin kommen wir dann relativ zügig per Shuttle Bus doch noch pünktlich zur Eröffnung der Hallen und können uns direkt ins Getümmel stürzen.

Da wir zum ersten Mal bereits am Donnerstag zur Messe gekommen sind, sind wir doch trotz einiger Vorwarnungen etwas überrascht über den enormen Andrang unter der Woche. Allerdings bekommen wir auch relativ schnell einige uns bekannter Gesichter von Bloggern, Youtubern und Autoren zu sehen und man fühlt sich irgendwie auch sofort angenehm willkommen.

Spielen gestaltet sich jedoch am ersten Tag mehr als schwierig, also konzentrieren wir uns auf das, was uns durch eine ordentliche Vorbereitung am logischsten erscheint: Neuheiten entdecken und kaufen! Nachdem schnell die ersten Tüten prallvoll und die Schultern und Arme nahe der Belastbarkeitsgrenze sind, geht es zum ersten „Verstaugang“ zum Auto zurück. Hiervon sollen noch einige folgen.. Und ruckzuck ist auch auch schon der erste Messetag vorüber und unser Kofferraum ein gutes Stück voller. Vorfreude ist schließlich immer noch die schönste Freude, sagt man doch. Und so ist es auch hier..

Tag 2- Freitag

Auch wenn der nächste Tage mit wenig Schlaf und leider auch weniger spielen, als erhofft, verbracht wird, so ist es dennoch ein fantastisches Gefühl, durch die Messehallen zu streifen. Schnell haben wir vergessen, wie eng und anstrengend es doch immer wieder ist, denn es gibt einfach etwas, dass uns immer wieder auf die Wolke der Glückseligkeit zu heben vermochte.. Viele, viele, tolle, spannende, faszinierende Spiele!

Es gibt sie an jeder Ecke, es gibt sie rechts wie links, vorne wie hinten.. Schnell ist man umgeben vom Sog der Neugierde. Welcher spannende Mechanismus oder welche tolle neue Spielidee erwartet uns am nächsten Stand. Oder welche neue Welt gibt es hier und da zu entdecken. Ohne die Neugier wäre das Leben eines Brettspiel-Geeks sicherlich ein ziemlich kurzes. Das Gefühl, über die Messe zu laufen, ist dabei für Aussenstehende kaum greifbar zu erklären. Man muss es einfach erleben.

Allerdings möchte ich mich an diesem Punkt auch mal ein paar Highlights widmen, jedenfalls was unsere Geschmacksrichtung angeht. Als erstes zu nennen, da auch kaum zu übersehen (direkt in Halle 1 angesiedelt), ist für uns hier sicherlich die Präsentation vom partymäßigen Familien-Deduktions-Spiel „When I dream“ bei dem es darum geht, als Schlafender die Augen verbunden zu bekommen um einen Traum zu erzählen, indem die anderen, je nach deren Aufgabe, hilfreiche oder irreführende Tipps geben müssen, um Ihre Rolle erfolgreich auszufüllen.

Um auf das Spiel aufmerksam zu machen, laufen in den Messehallen verteilt Menschen mit Schlafanzügen umher, die sich auch gerne mal zum „Schlafen“ auf den Boden legen. Sie versuchen dann, die Leute zu Ihrem Stand zu locken, wo man das Spiel direkt mit 2 Freiwilligen und der umherstehenden Besucherschaft spielen kann. Und zwar in einem richtigen Bett, welches dort aufgebaut steht und mit postergroßen Karten. Bekloppt, aber durchaus wirkungsvoll, wenn man die immer gut gefüllten Zuschauertrauben als Maßstab nimmt.

Im Bereich der Familienspiele ebenso auffällig präsentiert wird „Meeple Circus“ mit seinem witzigen Meeple-Stapel-Mechanismus. Auch hier hat man sich bei der Standgestaltung dem Thema passend ausgetobt und die Spieltische im Zentrum einer Art Zirkusmanege aufgebaut. Die Spielidee hat durchaus ihren Charme und hat uns auch gleich etwas neugierig gemacht. Gespielt haben wir es aufgrund des großen Andrangs in den 4 Tagen leider nicht.

Photosynthesis als sehr kreatives 3D-Taktikspiel ist sicherlich eines der erfolgreichsten Messehighlights, auch für uns. Hierbei gewinnt derjenige, der auf dem Spielbrett geschickt Samen streut, um sie zu ausgewachsenen Bäumen heranwachsen zu lassen . Jedoch sollte man dabei den Schatten der anderen Bäume meiden, da es wichtig ist, Sonnenpunkte zu sammeln.. Eine tolle Idee mit tollem 3D-Material, wie wir finden, daher haben wir es uns eingepackt. Auch hier ist es allerdings ohne längere Wartezeit kaum möglich einen Spieletisch zu ergattern.

Tag 3&4 – Samstag/Sonntag:

Die letzten beiden Tage verstreichen leider wie im Fluge und hier und da gelingt es uns dann auch mal, ein Spielchen direkt auszuprobieren. Überraschenderweise fühlen sich die Hallen sogar am eigentlich vollsten Tag der letzten Jahre, dem Samstag angenehm leer an, zumindest direkt nach Hallenöffnung und unser Plan ist es nach den Kauforgien der letzten beiden Tage nun auch mal endlich mehr an den SPieletischen zu sitzen um selbst Hand anlegen zu können.

Hierbei sei erwähnt, dass wir uns mittlerweile gerne im Kennerspiel/Expertenbereich tummeln, weswegen Highlights wie das groß gehypte Erstlingswerk „Noria“ von der sympathischen Berliner Spieleautorin Sophia Wagner mit innovativem Rad-Worker-Placement, obligatorische Eurogames der Topautoren Rosenberg („Nusfjord“), Kiesling (Heaven & Ale, „Riverboat“), Feld („Merlin“) etc, der langersehnte Nachfolger zum Megahit Terra Mystica „Gaia Project“ und auch der leider viel zu früh vergriffene Titel „Altiplano“, bei dem es sich um den Nachfolger zu einem unserer Lieblingsspiele „Orleans“ handelt, auf unserer Wunschliste stehen.

Als weitere Highlights dürfen hier noch „Calimala“ von ADC Blackfire mit neuartigem Einsatzmechanismus, bei dem man die Arbeiter der Mitspieler überdecken kann, aber ihnen die selbe Aktion dadurch nochmals ermöglicht und das epische „Agra“ im absolut oberen Expertenbereich angesiedelt und mit unserer Meinung nach atemberaubend schöner Ausstattung, nicht unerwähnt bleiben. Genauso wenig noch das neue Spiel von Inka und Markus Brand namens „Rajas of the Ganges“ welches bei uns durch ein unverbrauchtes, buntes Indien- Thema und wiederum innovativem Laufmechanismus einen durchwegs positiven Eindruck hinterlässt.

Nachdem der Samstag also unerwarteterweise unser Spieletag wird, möchten wir am letzten Tag nochmal unsere Blicke mehr auf die Randerscheinungen und allgemeinen Standaufbauten richten. Denn schaut man sich mal ein wenig abseits der Spieletische um, kann man doch einige Unterschiede und Veränderungen entdecken.

Besonders hervorzuheben sind dabei unserer Meinung nach die Stände von Asmodee, Lookout und Queen Games, denn sie verfolgen allesamt eine komplett andere Strategie.

Wird man beim Branchen-Primus Asmodee mit pompösem Standaufbau in Gamescom-Größenordnung inklusive 360 Grad-Video-Leinwand und sehr angenehm weitflächigem Spieltischpark empfangen, gilt es bei Lookout, eine Stempelkarte zu vervollständigen, indem man 4 Ihrer Spiele spielt. Sollte man bis zum Ende der Messetage eine vollständige Stempelkarte abgeben, winken ein paar Promos und sogar einige kleine Spielchen.

Bei Queen Games locken eher die Konsumentenreize. Wie auch in den Jahren zuvor, gibt es hier aber faire Preisbundles im hauseigenen komplett umglasten Queenie-Store.

Aber auch viele andere Publisher können sich kreativ verwirklichen und unserer Meinung nach ist es ein guter Schritt in die richtige Richtung, vor allem im Vergleich zum vergangenen Jahr, mit vielen interessanten Ideen.

Will man mal auf richtige Entdeckungstour gehen, empfiehlt sich übrigens ein Rundgang durch die Hallen 6-8, wo sich zuhauf die internationalen Kleinverlage tummeln und mit zig spannenden Eigenkreationen zu überraschen wissen. Hier befinden sich die kreativsten Ideen und viele der Spieleperlen von morgen, denn auch den ein oder anderen Verleger kann man hier antreffen. Es ist aber gar nicht so einfach, den Überblick zu behalten, am besten lässt man sich hier mal vom „Näschen“ leiten und hält hier und da mal an, um sich ein Spiel erklären zu lassen. Natürlich auf englisch, denn allgemein sei hier gesagt: Gute Englischkenntnisse sind bei so vielen vereinten Nationalitäten deutlich von Vorteil. Wir treiben uns jedenfalls sehr gerne in den hinteren Hallen herum, sei es aufgrund der angenehm anderen Independent-Stimmung, oder um einfach mal dem Messetrubel etwas zu entfliehen und zu schlendern. Denn die Besuchermassen halten sich hier, vor allem am traditionellen Familientag, deutlich mehr in Grenzen und man kann auch mal etwas Armfreiheit genießen.

Doch es zieht uns noch ein letztes Mal zurück in die vielbesuchten Hallen, denn auch hier vermisst man dieses Jahr keine Innovationen und die Atmosphäre möchten wir zum Ende hin noch einmal in vollen Zügen genießen können. Besonders gefallen hat uns hierbei eine Runde mit der Artipia Games Neuheit „Kitchen Rush“. Dies ist ein hektisches kooperatives Echtzeit-Spiel, bei dem man gemeinsam in der Gruppe ein Restaurant betreibt und unter einer Zeitvorgabe Gerichte zubereiten, aber auch Geschirr sauber machen oder Zutaten einkaufen muss. Die richtige Würze erhält das Spiel aber erst durch seine Asynchronität, denn als Arbeiter kommen hier Sanduhren zum Einsatz, wobei jede Sanduhr eine unterschiedliche Menge an Sand enthält. Teamarbeit ist hierbei natürlich das A und O. Wunderbar verstrickt und ansprechend gestaltet haben wir hier unsere wahre Freude gehabt, auch wenn die Kommunikation auf englisch mit einem sehr netten belgischen Pärchen im Team sich als durchaus schwierig erweist.

Natürlich könnte ich jetzt noch unzählige weitere Highlights nennen, aber ich möchte gerne doch langsam zu einem Fazit kommen. Schließlich dürft Ihr gerne in den kommenden Wochen und Monaten die Spielerfahrungen auf unserer Seite in Form unserer geplanten Rezensionen nachlesen. Unser prall gefüllter Kofferraum jedenfalls verspricht uns schon viele Stunden Spannung und Euch hoffentlich noch einige ebenso spannende Berichte.

Im Rückblick bleibt mir somit nur noch zu sagen, dass es wiedermal eine atemberaubende Reise durch viele neue Brettspielwelten war und weiterhin ein ganz großes Jahreshighlight eines jeden Brettspielverrückten sein sollte.

Zur eingangs erwähnten Frage bleibt mir somit nur eine Antwort, die da lautet: „Es war wieder einmal die geilste Tortur des Jahres und ich freue mich schon jetzt auf die SPIEL 2018“

Teil III – kurzer Blick auf die digitalen Spiele und Spiel – Elemente

[Krys] Schon auf der Gamescom in Köln lenkte sich unser Blick auf Verknüpfungen von digitalen und physischen Brettspielen und diese werden auch auf der Spiel immer mehr sichtbar. Auch hier sehen wir alte Bekannte in Form von Monopoly, verknüpft mit den bekannten (Ex-)Klempner Mario, die sicher junge Spiele begeistern werden.

Wir treffen alte Bekannte von rudy games und dürfen uns mit der frisch erschienen Version von „Interaction“ vergnügen, einem Partyspiel mit App-Integration und angepassten Themen je nach Spielern. Auch Ignacy Trzewicek bietet mit First Martians: Adventures on the Red Planet ein Spiel mit App-Integration. First Martians greift den Mechanismus aus Robinson Crusoe auf und befördert diesen auf den roten Planeten. Ein solches kooperatives Abenteuer eignet sich natürlich gut für Solo-Spieler, wenn sich gerade keine Mitspieler finden lassen.

Asmodee Digital bietet  in Halle 1 und 3 mehrere Brettspiele auf Tablets an und lädt zum Testen der Spiele ein. Die Pläne für die Zukunft umfassen nicht nur digitale Versionen von komplexen Vielspielertiteln  wie Scythe, Zombicide und Terraforming Mars sondern auch Spiele mit thematischen Bezug zu bekannten Serien der Brettspielwelt die sich von den Grundspielen lösen. Neben Story-getriebenen Ansätzrn, beispielsweise durch die Catan-Welt, werden auch VR-Erlebnisse als potentielle Spiele für die Zukunft bei Asmodee verfolgt.

Wir  dürfen gespannt sein wie sich die digitale und integrative Spiele entwickeln. Insbesondere Solo- und asynchrone Spiele sind für uns eine gute Ergänzung zu geselligen Brettspielrunden.

Fazit

Spielen begeistert. Und Brettspiele begeistern. In diesem Jahr ist dies auf der Spiel17 in Essen besonders deutlich zu spüren. Es herrscht eine große Lebhaftigkeit und Aufbruchstimmung. Von allem gibt es mehr. Die Vielfalt ist größer, wenn auch im Vergleich zu Buch oder Videospiel immer eher klein. Trotzdem wird es immer wichtiger, sich zu fokussieren und seiner eigenen Intuition bei der Entdeckung unterhaltsamer Brettspiele freien Lauf zu lassen. Luther hatte mit seiner Verneinung “wo kein…” recht. Für die Essener Spielemesse gilt der Satz aber auch umgekehrt. “Dort ist Spiel, dort ist Leben”.

Messebericht internationale Spieltage Essen 2017
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