scytheScythe entführt uns in eine alternative Realität der 1920er, die von der Stadt-Staat „The Factory“ beherrscht wird. Als Anführer einer von fünf Nationen in Osteuropa versuchen wir, mit unseren Bauern und Mech-Robotern die Vorherrschaft in dieser Welt zu gewinnen. Klingt erst mal nach einem interessanten Mix, den wir uns genauer ansehen.

Material

Da Scythe ursprünglich im Rahmen einer Kickstarter-Kampagne auf den Markt kam, ist das Material entsprechend zahlreich und bunt. Ein großes Spielbrett, Tableaus für die 5 Fraktionen und doppelseitige Tableaus für die Spieler, dutzende unterschiedliche Karten, jede Menge Holz-Tokens für Ressourcen und Arbeiter, sowie Plastik Mechs und Charaktere bieten ein optisch ansprechendes Gesamtpaket. Das Artwork und die Welt von Jakub Rozalski bieten einen interessanten Mix aus ländlicher Idylle, die von riesigen Robotern unterbrochen wird.

Wem die Standardausstattung nicht ausreicht, der kann auch noch weitere Upgrades erwerben. Von Metall-Münzen und Mechs, realistischen Ressource-Token bis hin zu einem größeren Spielbrett ist alles möglich.

Spielprinzip

Scythe wurde im Rahmen des Kickstarter als asymmetrisches 4X Spiel beworben, was aus meiner Sich dem Kern des Spiels nicht gerecht wird. Der eXplore Aspekt wird abgebildet durch Begegnungskarten, die zwar interessante Entscheidungen mit starken Belohnungen zulassen, aber auf einer bereits voll sichtbaren Landkarte basieren.. Der eXterminate Aspekt ist auch nur reduziert vorhanden, da keine Einheiten bei Kämpfen zerstört werden, sondern nur zu Ihren Heimatbasen zurück gezogen werden.

Die vermeintliche Asymmetrie wird durch die unterschiedlichen Fraktionen, Startpositionen und die zugelosten Spielertableaus abgebildet. Asymmetrie definiere ich persönlich jedoch strikter (wie bei Android Netrunner oder Root) und würde hier eher von Variabilität sprechen.

Aber worum geht es genau bei Scythe? Als Anführer einer der 5 Fraktionen versuche ich, Gebiete zu kontrollieren und mit der Produktion von Ressourcen eine möglichst effiziente Engine aufzubauen. Die Spieler sind reihum an der Reihe und führen 1 oder 2 Aktionen aus. Die Auswahl der Aktionen ist hier jedoch nicht völlig frei. Auf dem Spielertableu sind diese immer paarweise abgebildet, so dass ich pro Zug wählen kann, ob ich die obere, untere oder beide Aktionen ausführe. Der Clou ist, dass jedes Spielertableau andere Kombinationen derselben Aktionen ermöglicht.

Die oberen Aktionen kosten in der Regel Geld und erlauben mir, mich mit meinen Einheiten auf der Karte zu bewegen, mich für den Kampf zu stärken, Ressourcen zu kaufen oder auf meinen kontrollierten Gebieten Ressourcen zu produzieren. Die unteren Aktionen verbrauchen eben diese Ressourcen und ermöglichen den Bau von Mechs oder Gebäuden, das Anwerben von Rekruten oder dem Upgrade aller Aktionen. Besonders das Upgrade ist hier mechanisch sehr spannend. Jede Upgrade – Aktion macht eine Aktion der oberen Reihe stärker und senkt gleichzeitig die Kosten der Aktionen der unteren Reihe.

Während des Spiels versucht jeder Spieler, möglichst effiziente Aktionen zu wählen. Fokus sollte dabei sein, in einem Zug möglichst beide Aktionen ausführen zu können. In den ersten Runden ist dies noch nicht so einfach, da die vorhanden Ressourcen limitiert sind. Mit dem Fortschreiten des Spiels sammeln sich jedoch die Ressourcen und das Verständnis, wie man seine Folgezüge vorbereitet und Scythe entwickelt sein volles Potential.

Wie bei vielen Area-Control Spielen kann es auch hier zu Konflikten um Gebiete und Ressourcen kommen, sobald sich Einheiten unterschiedlicher Fraktionen begegnen. Die Kämpfe werden nur zwischen Charakteren und Mechs ausgetragen. Dazu setzen die am Kampf beteiligten Spieler versteckt Stärke und Kampfkarten ein und vergleichen die Werte. Ein einfacher Mechanismus, der aber einiges an Bluffen und Taktieren erlaubt, da ein hoher Einsatz in einem Kampf, die Spieler für weitere Angriffe verwundbar macht.

Das Ziel des Spiels, ist es, die meisten Siegpunkte zu haben, die es am Ende für kontrollierte Gebiete, vorhandene Ressourcen und Geld, sowie platzierte Sterne gibt. Die Sterne sind auch genau das Element, welches das Spielende auslösen. In insgesamt 10 Kategorien ist es möglich, einen seiner 6 Sterne zu platzieren. Gelingt, das einem Spieler, endet das Spiel sofort, wobei dieser nicht automatisch der Sieger sein muss. Um einen Stern zu platzieren, kann ich zum Beispiel alle Mechs, Arbeiter oder Gebäude bauen, die Beliebtheit oder Stärke maximieren, spezielle Ziele erfüllen oder bis zu 2 Kämpfe siegreich überstehen.

Durch diesen Bedingungen hat Scythe ein schönen Welltlaufmechanismus, der die Spieler zwingt, sich auf einzelne Ziele zu fokussieren um am Ende siegreich zu sein.

Solo Variante

Wie üblich setzt Stonemaier Games auch hier auf die Zusammenarbeit mit Automa Factory, durch die ein Automa in unterschiedlichen Schwierigkeitsstufen entwickelt wurde. Dieser Automa steuert eine Fraktion und führt durch ein Kartendeck vereinfachte Aktionen aus. Der Automa platziert und bewegt dabei Arbeiter, Mechs und Charaktere, verzichtet aber auf Rekruten, Gebäude, Ressourcenhandling und Aktionskosten. Auch werden Sterne anders platziert.

Etwas gewöhnungsbedürftig sind am Anfang die Bewegungsregeln des Automa, welche aber spätestens nach der zweiten Partie verinnerlicht sind. Der Automa spielt auch recht aggressiv und bewegt sich auf dem Spielbrett in die Mitte und sogar zum Spieler hin, so dass man, im Gegensatz zum Spiel mit menschlichen Gegnern, sich nicht auf eine vollkommen pazifistische Spielweise zurück ziehen sollte.

Wer mit einem Automa zu wenig Herausforderungen oder Interaktion hat, kann sich weitere Automadecks kaufen oder auf smarte App-Lösungen zurückgreifen, um das Spielgefühl näher an Mehrpersonenpartien zu bringen. Mir persönlich gefällt das Spiel gegen 2 Automa, da so Konflikte nicht nur gegen mich als Spieler gerichtet sind. Der zusätzliche Overhead ist überschaubar, sobald man die Abläufe verstanden hat.

Fazit

Scythe bietet sehr viel Spiel in einer ansprechenden Form. Das Spielprinzip ist spannend und bietet sowohl für friedliche, als auch für aggressive Spielweisen gleichwohl Siegmöglichkeiten. Die unterschiedlichen Fraktions- und Spielertableaus bietet genug Abwechslung für viele Partien. Die Fraktionen sind zwar nicht perfekt ausbalanciert, so dass 2 Kombinationen gemäß offiziellen Regeln nicht erlaubt sind, was auch meiner Sicht, aber erst nach einigen Partien zum Vorschein kommen dürfte, sofern man die optimalen Zugreihenfolgen entdeckt.

Das Wettrennen zum Platzieren der Sterne, der Bau einer starken Engine und das Planen effizienter Aktionskombinationen sind äußerst befriedigend. Das Konfliktpotential ist immer vorhanden, wird aber durch Abschreckungsmechanismen im Zaun gehalten, so dass man nicht ständig fürchten muss, dass die eigene Engine vollständig zerstört wird.

Zeitlich kamen wir mit der Zeitangabe von exakt 115 Minuten (die einen Durchschnittswerte von hunderten Partien zugrunde liegt) selbst in Erstpartien gut hin. Mir hat am besten das Spiel zu viert gefallen. Mit weniger Spielern, kann man seinen Mitspielern ganz gut aus dem Weg gehen, so dass Partien recht friedlich ablaufen können. Das Spiel zu fünft funktioniert genauso gut, bietet gegenüber 4 Spielern eine etwas längere Spieldauer, ohne das Spielgefühl zu verändern.

Was mich etwas stört, ist der Umstand, dass auf dem Spielbrett bereits 2 weitere Fraktionen abgebildet sind, die erst mit einer Erweiterung ins Spiel kommen. Ich verstehe die Logik dahinter, diese bereits im Grundspiel auf das Brett zu drucken und das Paket nicht mit 2 weiteren Fraktionen größer und teurer zu machen, einen leichten negativen Beigeschmack hat das bei mir trotzdem hinterlassen.

Ich kann Scythe allen Fans von komplexen Spielen empfehlen, denen ein echtes 4X Spiel, noch zu viel ist. Die angenehme Spielzeit von ca. 2h und die hohe Variabilität versprechen bereits in der Grundbox dutzende Stunden an Spielspaß. Wem das noch nicht genug ist, der kann zu einer der erhältlichen Erweiterungen greifen und die Welt von Scythe erweitern. Notwendig ist dies aber erst, wenn man das Grundspiel ausgereizt hat.

Name: Scythe
Spieler: 1 – 5
Alter: ab 14 Jahren
Dauer: 115 min
Autor: Jamey Stegmaier
Illustration: Jakub Rozalski
Verlag: Stonemaier Games / Feuerland Spiele

Scythe
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