android-netrunnerBrett- und Kartenspiele mit Cyberpunk- ähnlicher Thematik liegen im Trend.  Die Welt der schrägen und coolen Science Fiction Figuren ist unweigerlich ein ideales Thema für alle Spielfreunde, die affin zu Technik, IT, Programmierung und Telekommunikation sind.

Android Netrunner ist als reines Sammelkartenspiel unter dem Namen “Netrunner” bereits 1996 erschienen. Autor des Spiels ist kein Geringerer als Richard Garfield,  der mit seinem “Magic the Gathering” das Genre der Sammelkartenspiele erschaffen und beinahe Kultstatus erlangt hat. Netrunner schaffte aber keine so große Karriere wie Magic und blieb ein Nischenprodukt, das aber immerhin auch eine kleine Turnierszene etablieren konnte. Nostalgikern sei ein Blick auf ein paar alte Webseiten unseres Kollegen Darkpact empfohlen.

In der Neuerscheinung 2012 (uns liegt die deutsche Version 2013 vor) wurde die Wandlung vom Sammelkartenspiel in ein Living Card Game vollzogen. Damit wird  Android Netrunner deutlich geschlossener und vor allem auch erschwinglicher.  Auch die Regeln wurden ein wenig vereinfacht und besser ausbalanciert. Trotzdem bleibt es ein komplexes Spiel, denn es ist notwendig, einzelne Kartenfunktionen und deren Wirkungen zu erkennen und wirksam zu nutzen.  Android Netrunner bietet dafür Karten mit permanent wirkenden, wiederkehrenden und auch sofort einsetzende Effekten an.

Das Besondere an Android Netrunner ist seine asymmetrische Spielweise. Ein Spieler übernimmt die Rolle eines mächtigen Industrie – Konzerns, der vor Angreifern geschützt und nach außen abgesichert werden muss. Der andere Spieler übernimmt den Charakter eines Runners, der mit Hackermethoden versucht, in die Server des Konzerns einzudringen und wertvolle Informationen zu entwenden.

Demnach gestaltet sich der Spielaufbau beider Fraktionen unterschiedlich. Der Konzern gliedert sich wie ein großes Unternehmen in verschiedene Geschäftsbereiche auf. Das Kartendeck bildet die Abteilung “Forschung und Entwicklung”, während der Ablagestapel das “Archiv” darstellt. Im “Hauptquartier”, der Kartenhand, werden wichtige Entscheidungen zum Spielverlauf getroffen.

Ergänzt werden diese Abteilungsbereiche durch verstärkende “Roots”-, in welche Upgrade- Karten installiert werden können. In den “ausgelagerten Server – Systemen” werden die wertvollen, mit einem Patent vergleichbaren internen Agendas und deren Aktivposten abgelegt. Mit ICE- Karten werden alle Bereiche abgesichert und vor dem Fremdzugriff geschützt.

Der Runner benötigt nicht so viel Brimborium in seiner Auslage. Neben seiner als “Griff” bezeichneten Kartenhand, dem Deck als “Stapel” (kommt wohl von “Stapelverarbeitung”) und einer einfachen Ablage benötigt er noch je einen Bereich für Hardware, Programme und Ressourcen, um seine Engine ans Laufen zu bringen.

IMG_0652Gespielt wird so lange, bis ein Spieler insgesamt 7 Agendapunkte in seinem Besitz hat. Der Runner schafft dies, indem er die Agendakarten aus dem Konzern stiehlt und als Trophäe auslegt. Der Konzernspieler muss solche Agendakarten in seine ausgelagerten Systeme auslegen  und dort in der Regel noch “entwickeln”, sie also mit Geld und Aktionspunkten auf einen vorgegebenen Wert bringen, um sie dann in einen vor dem Zugriff des Runners sicheren Bereich zu legen. Dort entfalten manche Agendas dann noch zusätzliche Fähigkeiten, die dem Konzern nützlich sein können.

Zwar verwenden beide Spieler unterschiedliche Decks, jedoch ist der eigentliche Spielablauf  einander ähnlich. Er besteht aus dem Ausgeben von Aktionspunkten, so genannten “Klicks” für das Auslegen von Karten oder das Eintauschen von Geld sowie das Spielen von bestimmten Aktionen. Kleine Unterschiede gibt es aber doch:  Der Konzern – Spieler zieht standardmäßig eine Karte pro Runde, während der Runner dies mit einem von insgesamt 4 zur Verfügung stehenden “Klicks” bezahlen muss. Der Konzernspieler wiederum hat nur drei Klicks pro Runde zur Verfügung.

Wesentliches Merkmal der Strategie des Runners ist das Durchführen von “Runs”, also Angriffen auf die Konzernstruktur. Damit kann er bereits in Runde 1 loslegen und gegen die Kartenhand oder gar das Deck anrennen. Gelingt ihm dies, ohne dass er gestoppt wird oder auf Widerstand stößt, darf er sich eine Karte (manchmal auch mehr als eine) des Bereichs, den er angegriffen hat, ansehen. Findet er auf diese Weise eine Agendakarte, darf er sie behalten. Andernfalls hat er manchmal noch die Möglichkeit, die aufgedeckte Karte zu zerstören, indem er dafür die vorgegebenen Kosten bezahlt.

Während eines Runs hat der Inhaber des Konzerns einige Reaktionsmöglichkeiten. Zunächst einmal ist zu hoffen, dass er seine Konzernbereiche mit ICE- Karten abgesichert hat. Diese besitzen verschiedene Stärkepunkte und ein paar Sicherheits-Routinen, die der Runner ausschalten muss, um an die Zielkarte zu gelangen.

Eine Routine, die besagt, “beende den Run” könnte den Hacker- Versuch also vorzeitig beenden, wenn der Runner nicht ein Programm geschrieben hat, um diese Routine auszuschalten. Die Aktivierung solcher Programme bringt in der Regel auch zusätzliche Kosten mit sich. Ein Runner sollte also jederzeit darauf achten, dass er genügend Geld zur Verfügung hat, wenn er einen Run durchführt.

Das erzwungene Ende eines Runs ist für den Runner übrigens nicht unbedingt tragisch, denn er kann ja jederzeit neue Versuche unternehmen. Wenn er allerdings Netzschaden erleidet, wird es brenzlig. Netzschaden bedeutet, dass er eine Karte aus seiner Hand verliert. Sollte er zu irgendeinem Zeitpunkt im Spiel 0 Karten auf der Hand haben und eine ablegen müssen, hätte er das Spiel sofort verloren. Der Runner wird also immer versuchen, Karten nachzuziehen oder Netzschaden auszuschalten. Der Konzern kann ihm dies erschweren, indem er ihm “Gehirnschaden” zufügt. Pro 1 Gehirnschaden reduziert sich die maximale Handkartengröße um 1.

Der Konzern hat keine Angst vor einem leeren Headquarter (Kartenhand), denn ein Runner – Angriff darauf wäre sinnlos. Mehr Sorgen macht er sich um seine Forschung & Entwicklungsabteilung, denn wenn sein Deck leer ist, also alle Karten aufgedeckt, gespielt oder abgelegt sind, verliert er das Spiel. Magic- Spieler kennen diese Art des Verlierens durch die Karte „Millstone“ / „Mühlenstein“, zu dem es einst ein speziell entwickeltes Turnier – Deck gab.

Wie schön wäre es doch, wenn der Konzern wüsste, wo sich die Runner aktuell befinden oder was sie vorhaben. Hierzu kann der Konzernspieler  versuchen, dem Runner eine oder mehrere Aufspürungs-. Markierungen unterzujubeln. Das schwächt den Runner und macht ihn empfänglicher für Gegenmaßnahmen seitens des Konzerns. Umgekehrt kann der Runner dem Konzern mit den passenden Karten auch einige Viren übertragen, um seine verteidigenden ICEs zu schwächen oder ganz zu eliminieren.

Eine Partie Android Netrunner dauert im Durchschnitt zwischen angenehmen 30 und 60 Minuten und kann man im Prinzip „Out of the Box“ spielen. Richtig reizvoll wird es aber erst, wenn man sich ein wenig mit Deckbau beschäftigt hat. In jedes Deck lässt sich nämlich vor dem Spiel ein begrenztes Kontingent an zusätzlichen Karten aus anderen Runner- oder Konzerndecks integrieren. Damit können die Spieler ihre Decks optimieren und besser auf die einzelnen Funktionen abstimmen, müssen aber für den Deckbau mit einem höheren Zeitaufwand rechnen.

Dem Grundspiel liegen insgesamt 7 Charakter- Decks bei, die jeweils mit neutralen Karten aufgefüllt werden können und dann sofort spielbar sind. Dabei sind die unterschiedlichen Charaktermerkmale der Decks beachtenswert. Die vier Konzerndecks Jinteki, Haas-Bioroid, NBN, Weyland-Konsortium unterscheiden sich dabei minimal in ihren Fähigkeiten. Manche sind spezialisiert auf das Aufspüren der Runner, andere haben einen „Fast Advance“, können also ihre Agendas  sehr schnell entwickeln.

Bei den Runnerdecks der Anarchos, Kriminellen und  den Gestaltern unterscheiden sich die Programmierfähigkeiten, die Schnelligkeit und Findigkeit bei den Runs. Gabriel Santiago schafft es beispielsweise, bei einem Run auf das Archiv eines Konzerns, direkt auf das Hauptquartier zugreifen zu können, hat also damit zwei Wege auf die Kartenhand seines Gegners.

Das asymmetrische Spielprinzip und das ansehnlich illustrierte futuristisch düstere Thema machen Android Netrunner zu einem sehr eigenständigen Spiel, das, nachdem man das Spielprinzip verstanden und verinnerlicht hat, einen hohen Wiederspielreiz entwickelt. Damit ist dieses LCG ideal für die Durchführung von Turnieren geeignet und es entwickelt sich in Deutschland bereits eine Turnierszene.  Unter den 2-Spieler-Spielen ist Android Netrunner ein echtes Highlight.


Erscheinungsdatum: 2013
Spieler: 2
Alter: ab 14 Jahre
Dauer: ca 45 min
Autor(en): Richard Garfield
Grafik: Bruno Balixa
Verlag: Heidelberger Spieleverlag

Android Netrunner
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