Asymmetrische Spiele sind spätestens seit Scotland Yard, welches 1983 mit dem Spiel des Jahres prämiert wurde, bekannt. Für mich war jedoch Android: Netrunner, der Inbegriff des asymmetrischen Spiels, in dem jeder Spieler nicht nur unterschiedliche Fähigkeiten, sondern auch komplett andere Spielmechaniken und Wege zu Punkten mitbrachte. Root, welches in Deutschland durch Quality Beast vertrieben wird, ist nach Vast das zweite asymmetrische Spiel von Leder Games. Thematisch bewegen wir uns in einem wunderschön gestalten Wald, in dem die unterschiedlichen Bewohner über die Vorherrschaft kämpfen.


Regeln und Ablauf

Die bunt gestaltete Schachtel mit den vermeintlich friedlichen Waldbewohnern bietet allerlei Material. Neben einem doppelseitigen Spielplan, Tableaus, Markern und Einheiten für jede Fraktion enthält die Box Karten die für diverse Aktionen und Herstellung von Gegenständen genutzt werden.

Wenig überraschend wird man bei Root vor sehr viele Regeln gestellt, die auf den ersten Blick erdrückend wirken können. Neben der Spielanleitung, dem Gesetz von Root, einer Schritt-für-Schritt Anleitung, haben auch die einzelnen Waldbewohner unterschiedliche Regeln.

Allen gemein ist das Ziel auf 30 Siegpunkte oder die alternative Siegbedingung  der vollständigen Kontrolle von bestimmten Lichtungen. Auch gleich sind die grundsätzlichen Regeln durch Entfernen von gegnerischen Einheiten und Gebäuden sowie der Herstellung von Gegenständen, Punkte zu sammeln. Ebenfalls sind die Bewegungsregeln für Kriegereinheiten, welche sich nur zwischen Lichtungen bewegen dürfen, bei der man in der Start- oder Ziellichtung eine Mehrheit hat. Damit hören die Gemeinsamkeiten aber auch schon auf und wir werfen einen kurzen Blick auf die einzelnen Fraktionen.

Marquise de Katz

Die Katzen sind die aktuellen Herrscher des Waldes und kontrollieren eine Kriegsmaschinerie mit Sägewerken, Werkstätten und Rekrutierern. Sie starten mit der größten Präsenz auf dem Spielbrett. und  punkten durch den Bau von Gebäuden, für welche immer mehr Holz benötigt wird. Eine durchgehende Verbindung zwischen den Lichtungen muss dafür aufrecht erhalten werden. Die Katzen sind durch Ihre Engine die Fraktion, die am meisten an andere Area-Control Spiele erinnert und so für Einsteiger prädestiniert ist.

Horst Dynastie

Die Vögel wollen Ihre verlorene Herrschaft über den Wald wieder erlangen und punkten durch den Bau von Nestern auf dem Spielbrett. Sie starten in einer einzigen Lichtung, von der aus Sie ihren Einfluss vergrößern. Die Dynastie zeichnet sich  durch unterschiedliche Anführer aus und führt Aktionen gemäß gespielter Dekrete aus. Die Dekrete geben vor, bei welchen Lichtungen rekrutiert, bewegt, gekämpft und gebaut werden muss.

Dabei ist die Reihenfolge der Dekrete einzuhalten. Kann ein Dekret nicht vollständig ausgeführt werden, so geraten die Vögel in Aufruhr und verlieren Punkte. Außerdem wird ein neuer Anführer eingesetzt und die Dekrete damit zurück gesetzt. Die Dynastie ist von den grundsätzlichen Spielzügen leicht zu verstehen. Der Clou liegt hier in den Dekreten, die an einen programmierten Algorithmus erinnern, so dass man nie ganz frei entscheiden kann, wo welche Aktion ausgeführt wird.

Waldland-Allianz

Die Allianz der unterdrückten Waldbewohner startet ohne Präsenz auf dem Spielbrett und versucht durch Guerillataktiken Sympathie für den Widerstand zu gewinnen und so zu punkten. Mit genügend Sympathie lassen sich dann Revolten starten und bis zu drei Basen für den weiteren Widerstand errichten. Greifen andere Spieler die Allianz an oder betreten sympathisierende Lichtungen mit ihren Kriegern, gewinnt die Waldallianz weitere Unterstützer für ihren weiteren Kampf im Untergrund und kann Offiziere rekrutieren, die dann weitere Aktionen auf dem Spielbrett ermöglichen. Die kleine Waldbewohner, haben am Anfang nur eingeschränkte Aktionsmöglichkeiten, werden dann aber im weiteren Spielverlauf stärker und sind dann die komplexeste der Fraktionen.

Vagabund

Der Vagabund ist ein Einzelkämpfer, der sich im Gegensatz zu den anderen Fraktionen auch mitten im Wald zwischen den Lichtungen bewegen kann. Er handelt mit Gegenständen, welche er für seine diversen Aktionen einsetzen kann. Um zu punkten, unterstützt er die anderen Fraktionen, kann diesen aber auch in den Rücken fallen und die Beziehung dann in eine feindliche wandeln. Dadurch, dass der Vagabund nur eine einzige Einheit auf dem Spielbrett hat, kann er nicht durch militärische Überlegenheit gewinnen, sondern mit den anderen Mitspielern interagieren um seine eigenen Aufgaben und Ziele zum Sieg zu nutzen. Als Vagabund muss man zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort sein, um so geschickt seine Mitspieler in die eigenen Ziele einzuspannen.

Wie man an den kurzen Beschreibungen der Regeln erkennen kann, ist jede Fraktion einzigartig und unterschiedlich in der Spielweise und Komplexität. Neue Mitspieler lässt man am besten mit der Marquise de Katz oder der  Horst Dynastie in den Waldkampf einsteigen. Als hilfreich hat es sich auch heraus gestellt, den Mitspielern vorher die Regeln für die zugeteilte Fraktion zukommen zu lassen, damit jeder zumindest neben den Grundregeln weiß, wie die eigene Fraktion funktioniert. Zu den anderen Fraktionen genügt es, grob zu wissen, wie diese punkten, um dem entgegen zu wirken.

Fazit

Root hat aus meiner Sicht verdient den InnoSpiel Preis 2020 gewonnen. Das asymmetrische Spielprinzip wird bis ins letzte Detail ausgelebt, da jede Fraktion nicht nur eigene Spezialfähigkeiten besitzt, sondern darüber hinaus nicht nur unterschiedliche punktet, sondern vor allem ein ganze anderes Spielgefühl mitbringt.

Diese Variabilität bietet  ein enormes Wiederspielpotential, hat aber dadurch auch  eine hohe Einstiegshürde. Zwar genügt es, für die ersten Partien grob zu wissen, wie alle Fraktionen funktionieren, richtig taktieren kann man aber erst, wenn man jede Fraktion selbst gespielt hat und so weiß, welche Taktiken die Mitspieler anwenden können.

Neben dem doppelseitigen Spielplan werden in den Regeln auch Kombinationen von Fraktionen je nach Spielanzahl vorgeschlagen, die sich nach dem eigenen Erfahrungsschatz richten. Natürlich wird nicht jede Kombination perfekt ausgeglichen sein, der Reiz trotz widriger Bedingungen den Sieg davon zu tragen ist aber dadurch nicht geringer.

Großartig ist bei Root auch die Meta-Spielebene, die Strategien und Gespräche über einzelne Partien hinaus bietet. Zum Beispiel war die Waldland-Allianz in den ersten Partien recht schwach und wurde meist ignoriert. Durch Anpassung des Guerillakampfes ging sie danach als klarer Sieger hervor. Jetzt müssen natürlich die anderen Fraktionen wieder die Strategie ändern und dürfen die Allianz nicht zur Entfaltung kommen lassen. Je nach Spielgruppe entsteht so eine ganz andere Bewertung der unterschiedlichen Fraktionen und derer Spielstärke.

Ich kann Root jedem ans Herz legen, der Lust auf ein komplexes Kennerspiel hat und nicht davor scheut, sich mit mehreren Mechanismen innerhalb eines Spiels auseinanderzusetzen. Seit Android: Netrunner konnte mich kein asymmetrisches Spiel mehr so fesseln. Wem die vier Fraktionen hier noch nicht genügen, der kann sich auf weitere Erweiterungen in den Wäldern von Root freuen.

Name: Root
Spieler: 2 – 4
Alter: ab 10 Jahren
Dauer: 60-90 Minuten
Autor: Cole Wehrle
Illustration: Kyle Ferrin
Verlag: Quality Beast, Leder Games

Root
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