Ein kompetitives Worker-Placement Legacy Game in Knuddeloptik. Kann das funktionieren? Jamey Stegmaier versucht in Charterstone, diesen Mix in ein 12 Runden langes Kampagnenspiel zu verpacken. Worker-Placement ist spätestens seit Agricola ein Begriff, aber die Mechanik mit dem Legacy Mechanismus zu verknüpfen ist ein Novum.

Legacy


Was bedeutet Legacy genau? Mit Risiko Evolution fand der Legacy Mechanismus Einzug in die Brettspielwelt. In Legacy Spielen verändert sich das Spiel permanent durch die Aktionen der Spieler. Neue Regeln kommen hinzu, Karten werden beschriftet oder beklebt oder gar zerrissen. Während der Partien kommt neues Material ins Spiel und verändert so das gespielte Exemplar in ein einzigartiges Spiel. Nach einer gewissen Anzahl von Partien ist die Kampagne beendet und das Spiel kann in der Regel danach weiter bespielt werden, verändert sich dann aber nicht mehr.

Im Fall von Charterstone geht die Kampagne über 12 Partien. Während dieser Spiele werden die Regeln erweitert und der Spielplan beklebt. Pro Partie werden Sieger gekürt und Boni verteilt. Nach 12 Partien steht ein Gesamtsieger der Kampagne fest. Im Idealfall spielt man die Kampagne mit einer festen Besetzung, durch Automa können aber auch einzelne Ausfälle kompensiert werden.

Material

Wie in den meisten Stonemaier-Spielen ist auch hier das Material opulent. Neben hunderten Karten, die nach und nach ins Spiel kommen, gibt es auch hunderte Holztokens in unterschiedlichen Ausprägungen und schicke Metallmünzen. Der Spielplan ist riesig und bietet jede Menge Platz, um eigene Gebäude zu platzieren. Nach der Kampagne kann durch den Kauf eines Re-Charge Packs die Rückseite des Plans für eine zweite Kampagne genutzt werden.

Regeln und Ablauf

Es ist natürlich schwierig, die Regeln in einem Legacy-Spiel zu beschreiben, ohne zu viel zu spoilern, deshalb hier nur die Informationen, die für die erste Partie relevant sind.

Im Kern ist Charterstone ein Worker-Placement. Ich habe zwei Arbeiter zur Verfügung, welche ich auf diversen Gebäuden einsetzen kann. In meinem Zug kann ich entweder einen meiner Arbeiter platzieren oder alle meiner Arbeiter zurück nehmen. Genau wie bei Euphoria kann ich Arbeiter auf besetzte Gebäude platzieren und diese damit zurück in den Vorrat des Besitzers befördern. Es kann sich also lohnen, die eigenen Arbeiter so einzusetzen, dass diese durch die Züge der Mitspieler kostenlos zurück gebracht werden.

Das Spielfeld bietet einen gemeinsamen Bereich sowie je einen Bereich, Charter genannt, pro Spieler. Im eigenen Bereich starten wir mit einem Basisgebäude, welches Standard-Ressourcen wie Holz, Lehm etc. produziert. Im gemeinsamen Bereich können diese dann per Arbeitereinsatz gegen Münzen und Karten getauscht werden.

Die spannenden Aktionen sind aber der Bau von Gebäuden und das Öffnen von „Kisten“. Gebäude sind auf Karten abgebildet und können in die eigene Charter gebaut werden. Die so gebauten Gebäude werden in die eigene Charter geklebt und stehen dann allen Spielern zur Verfügung.

Auch Kisten werden hier durch Karten abgebildet. Diese Kisten können geöffnet werden und verschwinden dann aus dem Spiel ins Archiv. Als Belohnung kommen weitere Karten ins Spiel, die je nach Kartenart dem öffnenden Spieler oder Allen zur Verfügung stehen.

Während einer Partie stehen dem Spieler 12 Einflussmarker zur Verfügung, welche bei den spannenden Aktionen verbraucht werden, so dass man pro Partie nicht beliebig viele dieser ausführen können wird. Auch wird durch das Ausführen der Aktionen ein Fortschrittsmarker bewegt, der das Spielende steuert.

Das Spiel lenkt den Spieler geschickt in eine Richtung, um möglichst schon in der ersten Partie eine Kiste zu öffnen und so die ersten Kontakte mit dem Legacy Mechanismus zu machen. Nach jeder Partie kommen neue Regeln und Ziele ins Spiel, die dann für die folgenden gelten.

Automa

Wie bei den meisten Stonemaier Titeln üblich bietet auch Charterstone einen Automa, also einen geskripteten künstlichen Spieler, der einen menschlichen Spieler simuliert. Im Fall von Charterstone ist der Einsatz dieser Automa bei kleinen Spielerzahlen auch sehr zu empfehlen.

Denn spielt man mit weniger als sechs der möglichen Spieler, so bleibt die Charter dieser Spieler leer und entwickelt sich recht spärlich und zufällig. Hier schaffen die Automa etwas Abhilfe und entwickeln die gesteuerte Charter schneller, aber nicht unbedingt weniger zufällig. Außerdem hat man so weitere Konkurrenten, mit denen man um den Sieg kämpft, da die Automa, genau wie menschliche Spieler um den Sieg mitspielen.

Die Automa werden durch ein Kartendeck gesteuert und führen zügig Aktionen aus, ohne selbst Ressourcen zu sammeln. Die Automa platzieren Einflusstoken, gewinnen Siegpunkte, platzieren die wichtigen Gebäude und öffnen Kisten so dass neue Spielelemente entdeckt werden. Die Steuerung der Automa ist nach der ersten Partie verinnerlicht und bietet kaum Mehraufwand, dafür aber ein volleres Legacy-Erlebnis.

Auch können die Automa genutzt werden, wenn sich die Zusammensetzung der Gruppe für einzelne Partien ändert, um so aussetzende Spieler nicht während der Kampagne abzuhängen.

Fazit

Ich bin etwas zwiegespalten, was Charterstone angeht. Einerseits macht die Kampagne Spaß und das bekleben des Spielplans macht viel Freude. Das Entdecken von neuen Gebäuden und Möglichkeiten macht die Kampagne interessant.

Andererseits ist das Spielprinzip im Kern ein Worker-Placement auf Familienniveau. Es wird durch den Legacy-Mechanismus aber nicht direkt zu einem Familienspiel, da es schon einiges an Übersicht erfordert um den wachsenden Spielplan und Regeln Herr zu werden.

Auch unterbricht das Öffnen von Kisten und das Hinzufügen von Karten den Spielfluss. Als Spieler kann man also nicht einfach reihum seine Arbeiter einsetzen, sondern muss warten, bis die neuen Karten verteilt und eventuelle Regeln während des Spiels vorgelesen und erklärt werden.

Die Kampagne selbst stellte für uns auch keine überragende Erfahrung dar, wie zum Beispiel bei Pandemic Legacy. Dort erinnere ich mich gerne an das Spielerlebnis, welches für mich herausragend war. Nach der Kampagne könnten wir jetzt auf dem „fertigen“ Spielplan weitere Partien spielen, aber dafür ist der Grundmechanismus uns dann doch zu einfach und es gibt genügend bessere Alternativen.

Im Endeffekt kann ich das Spiel empfehlen, wenn man noch keine oder wenige Erfahrungen mit Legacy Spielen gesammelt hat. Der Mechanismus ist gut umgesetzt und es tut sich ständig etwas auf dem Spielplan. Will man aber ein Spiel mit mehr Fleisch am Knochen, ist Charterstone vielleicht nicht die richtige Wahl.

Name: Charterstone
Erscheinungsjahr: 2017
Spieler: 1 – 6
Alter: ab 10 Jahren
Dauer: 60 min
Autoren: Jamey Stegmaier
Illustration: Lina Cossette, David Forest
Verlag: Stonemaier Games

Charterstone
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