
Lewis Carrolls Alice im Wunderland dürfte vielen aus Kindheitstagen noch ein Begriff sein. Zumindest bei mir ist die Geschichte mit dem Disney Film aus den 50ern verankert.
So viele Titel mit dem Thema gibt es im Brettspielbereich nicht, so dass Wonderland’s War hier auf jeden Fall heraussticht. Der Titel ist insofern spannend, da hier verschiedene Fraktionen um die Vorherrschaft im Wunderland konkurrieren.
Material
Wonderland’s War wurde ursprünglich über Kickstarter finanziert, so dass es nur wenig überrascht, dass das Spielmaterial opulent ist. Über die Spiele-Schmiede gibt es die deutsche Version in der hier vorliegenden regulären Edition, sowie einer Deluxe Edition mit noch mehr „Bling-Bling“. Die riesige Box, samt umfangreicher Anleitung enthält einen großen Spielplan, fünf Spielertableaus für die Fraktionen, Pappaufsteller, Fraktionschips, Burgen und Unterstützer in den Spielerfarben. Dazu gibt es Verbündetenkarten und -chips, Kristallsplitter und Wahnsinnsplättchen, sowie Bewohner des Wunderlands als Chips und Pappaufsteller. Da wir einen Bag-Builder vor uns haben, gibt es natürlich entsprechend noch Beutel für die Chips.

Wie diese Auflistung schon zeigt, ist das eine Menge Material. Während man vor der ersten Partie dadurch etwas von der Materialfülle erschlagen wird, passt es nach geeigneter Sortierung dann doch wieder gut in die Schachtel. Die reguläre Edition hat nur ein Papp – Insert, die Deluxe Edition bietet neben Plastikminiaturen auch ein passendes Insert. Ob die Deluxe Edition sich lohnt, muss jeder selbst entscheiden. Optisch ist alles entsprechend abgefahren gestaltet und bietet in beiden Editionen eine imposante Tischpräsenz.
Bevor es mit dem Spielen losgeht, muss zunächst der Aufbau bewältigt werden. Neben dem Hauptspielplan, auf dem die „Teeparty“ und verschiedene weitere Bereiche abgebildet sind, gibt es Spielertableaus und spielerspezifisches Material, eine Auslage für die Verbündeten mit ihren Chips, eine Auslage mit Wunderländern und Aufgaben gibt es auch noch zu erledigen. Zumindest in den ersten Partien kann dies leicht überwältigend wirken, wird aber bei guter Sortierung in den Folgepartien besser.
Spielprinzip
Im Herzen handelt es sich bei Wonderland’s War um einen Bag Builder mit Area Control Mechanik. Die beiden Hauptmechanismen greifen gut ineinander über und wer Die Quacksalber von Quedlinburg kennt, wird sich schnell zurecht finden.
Das Spiel selbst wird in drei Runden gespielt. Diese bestehen aus einer „Teeparty“ und einer Kampfphase. Bei der Teeparty laufen die Figuren um den Tisch und sammeln dort vier Karten. Mit diesen Karten werden Unterstützer oder Burgen in Gebiete platziert, Upgrades freigeschaltet, Verbündete und Wunderländer rekrutiert, um die Spieler auf die folgende Kampfphase vorzubereiten. Je nach Veranlagung der Spieler kann die Auswahl, die auf vier Karten pro Spieler beschränkt ist, dann aber doch mal etwas länger dauern. In dieser Phase füllen wir unsere Beutel mit verschiedenen Chips und platzieren Einheiten auf dem Spielplan.

Nachdem alle Spieler vier Karten gesammelt und ihren Anführer in eines der Gebiete platziert haben, folgt die Kampfphase. Hier werden alle Gebiete nacheinander abgehandelt. Alle Spieler, die in einem Gebiet Einheiten haben, sind am Kampf beteiligt. Die Unbeteiligten dürfen Wetten auf den Sieger abschließen und so Verbündete für Ihren Beutel oder aber negative Splitter erhalten.
In der Kampfphase ziehen alle Spieler gleichzeitig einen Chip aus Ihrem Beutel. Der erste Chip in jedem Gebiet muss dabei zwingend gezogen werden, ab dem zweiten darf man eine leere Hand vorzeigen und sich so aus dem aktiven Kampfgeschehen zurückziehen. Chips sind dabei entweder Fraktions-, Verbündeten, Wunderländer, Schmiede oder Wahnsinnschips. Die ersteren bieten einen Kampfwert, welcher auf einer Leiste abgetragen wird. Wahnsinnschips sorgen dafür dass Einheiten aus dem Gebiet abgezogen und in den Spielervorrat zurück wandern. Hat man keine Einheiten in einem Gebiet, so endet der Kampf mit einer Niederlage.
In der Kampfphase gilt also gut abzuwägen, wie viel Risiko man eingeht und wie viele Einheiten man im Gebiet zur Verfügung hat. Manche sicher geglaubte Siege wurden so doch noch zu Niederlagen und Spieler, die früh gepasst hatten und aus dem Kampf ausgestiegen waren, konnten sich wider Erwarten noch über Punkte freuen. Als interessanter Faktor kommen hier auch die Aufgaben ins Spiel. Diese haben verschiedene Ziele. So muss zum Beispiel eine exakte Anzahl von Chips in einem bestimmten Kampf gezogen werden, oder aber der Kampfwert gerade sein.
Spannend ist auch der Mechanismus des Schmiedens. Dieser erlaubt es, gezogene Chips in das eigene Tableau zu schmieden und so Boni, Fertigkeiten, Punkte sowie weitere Chips freizuschalten.
Der Sieg in einem Gebiet bringt nicht nur Punkte, sondern erlaubt auch das Platzieren einer Burg, welche am Ende Siegpunkte sowie Stärkepunkte für die folgenden Runden bringt. Außerdem verbleiben die Einheiten in den Gebieten. In Summe gibt es einige Faktoren, zwischen denen man abwägen muss, wie viele Chips man aus seinem Beutel zieht und wann man am besten aufhört.
Diese beiden Phasen werden insgesamt drei mal gespielt. Nach der letzten Phase geht es an die Endwertung. Neben Punkten während des Spiels gibt es noch Punkte für Burgen sowie Punkte für Aufträge. Letztere sind auch hier wieder wichtig, da diese zweigeteilt sind. Der erste Teil kann während der Kampfphase erfüllt werden, der zweite Teil in der Endwertung. Hat man beide Teile einer Karte erfüllt, so gibt es dafür Bonuspunkte. Ein lohendes Unterfangen! Wer am Ende die meisten Punkte hat gewinnt die Partie und die Vorherrschaft im Wunderland.
Fazit
Wonderland’s War bietet ein opulentes Material – Paket und ein spannendes Spielerlebnis. Der Aufbau ist am Anfang etwas holprig, da es einfach sehr viel Material gibt. Ich vermute, dass die Wunderländer ins Spiel hinzugefügt wurden, um ein Dutzend zusätzliche Miniaturen in die Deluxe Box packen zu können. Diese hätten auch wunderbar in einer Erweiterung Platz gefunden. Zwar bieten diese natürlich Variabilität, verkomplizieren aber auch die Partien, da man die spezifischen Fähigkeiten der Wunderländer zusätzlich zu den Spieler- und Fraktionsfähigkeiten verstehen muss. Letztere bieten durch vier verschiedene Sets bereits einiges an Variabilität, die zu unterschiedlichen Ausgangsbedingungen führen.
Die Unterteilung in drei Runden und zwei Phasen ist hingegen schnell verinnerlicht. Auch die Aufgaben sind klar verständlich. Insbesondere, da man zu Spielbeginn nur eine auf der Hand hat, überfordern diese nicht. Die Teeparty kann bei AP-Spielern etwas ausufern, ist aber grundsätzlich mit einiger Vorausplanung spielbar. Die Kampfphase ist durch die Gleichzeitigkeit schnell erledigt und stockt etwas, wenn viel geschmiedet wird.
Interessant sind auch die unterschiedlichen Fraktionen mit den spezifischen Fähigkeiten. Neben den bei Spielbeginn bereits vorhandenen Grundfertigkeiten können noch aktive und passive Fähigkeiten freigeschaltet werden. Mal nervt der Jabberwocky mit Giftplättchen, mal werden Chips doppelt gewertet, oder es geht rückwärts durch die Teeparty. Um eine fundierte Aussage zu der Ausgewogenheit der einzelnen Fraktionen geben zu können, fehlen uns noch die Partien. Der Hutmacher mit der Möglichkeit, eine fünfte Karte während der Teeparty ziehen zu können, schien uns zumindest sehr stark.

Die angegebene Spielzeit von 30 Minuten pro Spieler lässt sich einhalten, wenn man Auf- und Abbau nicht einrechnet und auch die Altersangabe fanden wir passend. Mindestens drei, besser vier Spieler sollten es schon sein, um ein komplettes Spielgefühl zu erlangen und so Kämpfe mit vielen Beteiligten austragen zu können.
Der Komplexitätsgrad liegt logischerweise über dem von Die Quacksalber von Quedlinburg, wobei dies auch dem Aufbau geschuldet ist. Wer sich bei den Quacksalbern wohl gefühlt hat und vor dem Austragen von Kämpfen und Area Control nicht zurück scheut, der dürfte bei Wonderland’s War seinen Spaß haben. Wir werden auf jeden Fall ins Wunderland zurück kehren und schauen, wer diesmal das bessere Ende für sich hat. Uns reicht dabei die reguläre Edition.
Name: Wonderland’s War
Erscheinungsjahr: 2024
Spieler: 2 – 5
Alter: ab 14 Jahren
Dauer: 30 Minuten pro Spieler
Autoren: Tim Eisner, Ben Eisner, Ian Moss
Illustration: Manny Trembley
Verlag: Mirakulus / Druid City Games