Merw CoverDie Stadt Merw gehört zum Weltkulturerbe und war im Altertum eine Oasenstadt in Zentralasien. Sie war besonders im 12. Jahrhundert ein wichtiger Knotenpunkt zwischen Osten und Westen und entwickelte sich dadurch zu einem der größten Handelszentren in der Region.

Die Stadt ist Wortgeber des gleichnamigen Spiels, bei dem der Handel und das Streben nach Macht und Reichtum im Mittelpunkt stehen. Ob dieser historische Ausflug sich lohnt und was es Spannendes in Merw zu entdecken gibt, möchte ich euch in diesem Test schildern.

Was steckt drin

Die Verpackung von Merw fühlt sich wertig an und lässt das Herz eines jeden Brettspielers schnell höherschlagen. Das liegt vor allem daran, dass dem Spiel viele Holzteile (Spielfiguren, Häuser, Marker, Ressourcen, etc.) spendiert wurden. Am schönsten sind die Stadtmauern und die (Holz-) Kamele, welche sehr detailliert ausgeformt sind. Daneben finden sich noch diverse Marker, Karten für Gewürze und Aufträge und natürlich die 24 Grundstücksplättchen, aus denen die Stadt zu Beginn gebaut wird.

Einzig das fehlende Kartoninlay mindert den wertigen Eindruck ab, da es keine separaten Fächer für die einzelnen Spielmaterialien gibt. Ich als ordnungsliebender Mensch finde das immer unpraktisch. Immerhin wurden eine Menge Plastikbeutel mitgegeben, so dass sich das Chaos doch vermeiden lässt.

Spielvorbereitung

Selten hat mich das Regellesen so viel Kraft und Zeit gekostet, obwohl die Hauptanleitung hat nur 14 Seiten. Dennoch musste man viele Passagen mehrfach lesen und auch öfters bei der ersten und zweiten Partie nachschauen, ob man auch alles richtig macht. Das liegt nicht an der Schreibweise, die ist gut verständlich, sondern viel mehr an den Details und der Fülle an Möglichkeiten.

Ist der Einstieg jedoch erst einmal geschafft, kann es zügig losgehen. Die Spielmaterialien werden an die Spieler verteilt und mit Hilfe der Grundstückskarten wird die Stadt Merw auf dem Spielplan beliebig zusammengestellt.

Spielverlauf

An dieser Stelle werde ich die groben Abläufe und Zusammenhänge erläutert, ohne jedoch zu sehr ins Detail zu gehen.

Eine Partie verläuft über 3 Runden, die jeweils ein Jahr darstellen. Jede Runde ist dabei in 4 Aktionsphasen unterteilt (Jahreszeiten), bei der man je eine Aktion durchführen kann.  Nach jeder Runde gibt es eine Zwischenwertung und ab Runde Zwei kommt es zudem zu Überfällen, aber dazu später mehr.

Der Startspieler beginnt und wählt als erstes ein Aktionsfeld. Dazu stellt er seine große Spielfigur auf ein freies Feld am Stadtrand. Die darunterliegende Reihe gibt die Grundstücke vor, aus denen er jetzt wählen kann. Dazu stellt er entweder auf ein freies Feld eines seiner Häuser oder wählt ein bereits bestehendes Haus aus (das kann auch eines der Konkurrenz sein). Nun wird die dort abgebildete Ressource produziert, von der es insgesamt vier verschiedene gibt.

Hat man das Feld eines Mitspielers gewählt, erhält dieser übrigens die Ressource. Auch werden alle weiteren in der Reihe gleichfarbigen Gebäude aktiviert, die wiederrum auch an ihrem Eigentümer Ressourcen bringen. Abschließend führt der Spieler eine Aktion durch. Entweder er nutzt die Gebäudeaktion, erhält eine Gunst oder postiert eine Spielfigur (Wache). Auch kann der Spieler zu jederzeit Aufträge erfüllen, die am Spielfeldrand ausliegen.

Sobald alle Spieler ihre Aktion durchgeführt haben, wird die neue Reihenfolge festgelegt. Der hinterste Spieler belegt den letzten Platz. Man kann jedoch Kamele ausgeben (wenn man welche besitzt) um einen Platz nach vorn zu rutschen. Wurde die neue Reihenfolge festgelegt, beginnt die nächste Aktionsphase.
Soweit, so einfach, wären da nicht die ganzen Aktionsfelder.

Gunst erhalten
Hat man sich für diese Aktion entschieden, rückt man auf der Gunstleiste ein Feld weiter. Manchmal erhält man beim Überschreiten bestimmter Felder noch Siegpunkte, aber ansonsten wird diese Leiste erst in der Zwischenwertung wichtig.

Wache postieren
Hierbei setzt man eine seiner kleineren Spielfiguren auf ein Grundstück (ohne Anbau). Für ein Grundstück im eigenen Besitz erhält man zudem 1 Einfluss und stellt man die Wache auf ein fremdes Feld, erhält man 2 Einflusspunkte. Die Wache schützt einmalig vor dem Angriff der Mongolen am Ende der 2. und 3. Runde.

Die Einflussleiste wird im zunehmenden Spielverlauf wichtig, da sie einerseits bestimmt, wie viele verschiedene Gewürzkartensorten man besitzen darf, aber auch welche Art von Aufträgen man erfüllen kann. Tendenziell gilt: Je weiter man auf der Leiste voranschreitet, umso lukrativer werden Aufträge und das Sammeln von Gewürzkarten.

Gebäudeaktion durchführen
Jedes Gebäude besitzt neben sich ein Symbol das angibt, welche Aktion durchgeführt werden kann.

Karawanserei
Hier kann man Gewürzkarten kaufen, welche in der Endwertung ordentlich Punkte einbringen können. Es gibt vier unterschiedliche Gewürzarten, welche in Form von Karten am Rand des Spielplans ausliegen. Zu Beginn liegen auf den ersten vier Karten noch jeweils ein Kamel. Möchte man sich eine Karte kaufen, muss man entweder eine Karte mit Kamel auswählen oder die erste Karte, die nach einer Karte mit Kamel liegt.

Eine Karte kostet eine beliebige Ressource. Möchte man mehr Karten kaufen, muss man die gleiche Ressourcenart bedienen. Dabei gilt es stets das Limit einzuhalten, das auf der Einflussleiste angegeben ist. Zu Beginn darf man nur eine Gewürzart besitzen, nach und nach erhöht sich das Limit. Auch kann man Kamele einsetzen, um Karten weiter hinten in der Reihe zu kaufen. Immer, wenn man zwei gleiche Gewürzkarten besitzt, erhält man zudem einen Bonus, z.B. eine zusätzliche Ressource oder einen Gebäudeausbau.

Bibliothek
Hier hat man die Möglichkeit, eine oder mehrere Schriftrollen zu kaufen. Auch hier bezahlt man mit einer Ressource pro Schriftrolle, es müssen jedoch immer unterschiedliche Ressourcen sein. Die Schriftrollen bleiben im persönlichen Besitz und man benötigt sie für das Erfüllen von Aufträgen. Auch gibt es mächtige Boni, sobald man seine 2., 4., 6. oder 8. Schriftrolle gesammelt hat.

Befestigung
Wie bereits erwähnt, fallen die Mongolen ab Ende der 2. Runde über die Stadt ein und brennen alle Gebäude nieder, die nicht geschützt sind. Baut man Stadtmauern, kann man die Gebäude von einer Seite schützen. Aber erst, wenn sie von zwei Seiten geschützt sind, werden die Angriffe für das Feld abgewehrt. Es lohnt sich dadurch, in Verteidigungen zu investieren.

Eine Mauer kostet 1 bis 3 Ressourcen, je nachdem, wer zuerst baut. Schützt man damit ein eigenes Feld, erhält man wiederum 1 Einfluss und bei einem fremden Feld 2 Einfluss. Ein Stadttor kostet sogar 3 Ressourcen, dafür reicht allerdings diese eine Befestigung zur Abwehr bereits aus. Es kann allerdings nur in der mittleren Reihe gebaut werden.

Handelshaus
Wie der Name bereits andeutet, wird hier Handel getrieben. Je nachdem, in welche Stadt man sich bewegt, lässt sich mit Ressourcen eine gewöhnliche oder eine besondere Ware kaufen. Diese werden wiederum für die Erfüllung von Aufträgen benötigt.

Moschee
Diese Leiste beginnt mit vier Pfaden, von denen man einen wählen muss. Fortan gibt der Pfad vor, welche Ressource man einsetzen muss, um einen Schritt weiter zu gelangen. Beim Überschreiten von einigen Feldern erhält der Spieler zudem Boni. Anfangs kann das nur ein Gebäudeausbau sein (z.B. Produktion einer Zusatzressource oder einer weißen Ressource (=Joker)) oder man erhält Gunst oder darf eine Wache einsetzen. Je höher man jedoch klettert, umso mächtiger werden die Boni. Es lohnt sich daher, hierauf zu spielen, wenn man die entsprechende Taktik verfolgt.

Palast
Der Palast besteht aus vier Hallen, in denen man eine oder mehrere Spielfiguren einsetzen kann. Der Einsatz ist abhängig von der Anzahl der bereits gesetzten Figuren. Zu Beginn kostet die erste Figur nur eine Ressource der angegebenen Farbe, die zweite Figur verlangt aber schon zwei. Auch sind die Flächen begrenzt, da maximal drei Figuren pro Halle eingesetzt werden dürfen.

Wer in den Palast investiert, kann in der Zwischenwertung viele Siegpunkte erhalten. Denn es gibt beispielsweise pro eingesetzter Figur in der Halle des Wissens einen Siegpunkt für jede im Besitz befindliche Schriftrolle. Hat man zwei Figuren dort eingesetzt, kann man die doppelte Punktzahl erhalten. Aber Achtung, ich schreibe bewusst „kann“. Man muss nämlich pro Figur, welche aktiviert werden soll, eine Gunst ausgeben. Hat man diese nicht, gibt es auch keine Zusatzpunkte. Die Mischung und eine durchdachte Spielweise sind daher entscheidend. Neben Schriftrollen kann man auch Punkte für die Anzahl an Waren, Gewürzkarten und Felder der Moscheeleiste erhalten.

Aufträge
Diese können jederzeit gespielt werden und sind in drei unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden erhältlich. Um größere Aufträge auszuführen, benötigt man den entsprechenden Einfluss auf der Einflussleiste. Um einen Auftrag auszuführen, benötigt man die angegebene Anzahl an Schriftrollen oder Waren und muss zusätzlich noch eine Ressource abgeben. Die Anzahl der Siegpunkte ist abhängig, um welche Art von Auftrag es sich handelt und ob man der erste Spieler ist, der ihn sich nimmt. Spätere Aufträge liefern immer weniger Siegpunkte, trotz gleichem Einsatz.

Nachdem vier Aktionsphasen durchlaufen wurden, kommt es zu einer Zwischenwertung. Hier erhält man je einen Punkt für jedes Gebäude, für bestimmte Wertungsplättchen und natürlich für die Figuren im Palast. Ab Runde 2 und 3 kommt es vor der Wertung jedoch zum Überfall der Mongolen. Alle nicht geschützten Gebäude (durch Stadtmauern oder einer Wache) werden abgerissen, was einerseits die Punktzahl mindert, aber auch die Produktion von Ressourcen in darauffolgenden Runden.

Spielende

Nach Ablauf der dritten Runde (inklusive Überfall und Zwischenwertung) endet das Spiel. In der Schlusswertung werden noch die Gewürzkarten gewertet. Diese werden zu Sets zusammengestellt, in der möglichst viele unterschiedliche Gewürze enthalten sind. Das kann dann nochmal pro Set 1 bis 10 Siegpunkte einbringen.

Fazit

Wie heißt es so schön: Aller Anfang ist schwer!
Ich weiß nicht warum, aber die Regeln zu verstehen und zu behalten hat doch ziemlich viel Anstrengung gekostet. Vor allem, wenn man diese noch seinen Mitspielern erklären muss. So musste ich oftmals im Regelwerk nachlesen und die Stelle finden, wo meine Frage beantwortet wurde. Aber gut, ein komplexes Spiel hat auch tiefgründige Regeln, daher soll dies keinen Kritikpunkt, vielmehr eine Anmerkung darstellen.

Sobald man diese Hürde gemeistert und die erste Aktionsphase durchlebt hat, ist der Spielfluss in der Tat sehr flüssig. Man merkt richtig diesen „Aha-Moment“ und die Regeln und der Ablauf kommen einem gar nicht mehr fremd vor. Besonders die Auswahl der Gebäude, hat uns sehr gefallen. Durch das Zufallsprinzip und der veränderten Reihenfolge gleicht kein Spiel dem anderen.

Insbesondere die Aktivierung eines Gebäudes – einmal wählt man ein Gebäude aus der Reihe von oben nach unten, in der nächsten Phase wählt man stattdessen aus der Reihe von links nach rechts – bringt Abwechslung und Strategieüberlegungen mit sich. Stets ist man bemüht, die richtigen Aktionsplättchen mit einem eigenen Gebäude zu versehen, gleichzeitig aber auch viele eigene Gebäude zu aktivieren, damit man die Ressourcen erhält.

Die einzelnen Aktionen sind sehr unterschiedlich und ermöglichen vielfältige Siegstrategien. Dabei hat sich aber herausgestellt, dass man auf mehr als eine Strategie setzen muss. Alles in Merw ist miteinander verflochten. Nur in Gewürzkarten zu investieren, würde beispielsweise nicht gelingen, da man auf die Siegpunkte aus dem Palast angewiesen ist. Dafür wiederum benötigt man jedoch Gunst und die erhält man wiederum bei einer Aktion oder noch besser auf der Moscheeleiste. Diese Verzahnung macht Merw so spannend und wiederspielenswert. Kurzum: Der Mechanismus ist wunderbar verzahnt und greift tadellos ineinander.

Für die erste Runde sollte man eine Spielzeit von mindestens 2 Stunden einplanen. In späteren Runden ist die angegebene Dauer von 90 Minuten plausibel. Im Vergleich zu ähnlichen Spielen steigt der Spannungsbogen bei Merw mit jeder Runde. Während man in Runde 1 und 2 kaum Siegpunkte sammelt und alles ausgeglichen scheint, geht es in der letzten Runde und Schlusswertung richtig zur Sache. Erst hier kristallisiert sich heraus, wie gut man in den vorigen Runden vorgearbeitet hat. Das kann für Kinder ein Problem sein, denn diese brauchen oftmals ein Erfolgserlebnis, was sich hier jedoch erst sehr spät einstellt.

Insofern halte ich – auch der Komplexität halber – das angegebene Alter von 12 Jahren für zu jung. Um Merw sinnvoll und tiefgründig zu spielen, sollte man meiner Meinung nach ca. 15 Jahre alt sein. Auch sollte die Gruppengröße mindestens aus drei Spielern bestehen, im Idealfall aus 4 Personen, da hier der Konkurrenzkampf größer ist, was für Spannung sorgt. Es gibt auch eine Solovariante, bei dem man zusätzlich einen korrupten Beamten spielt. Das funktioniert gut, macht das Regelwerk aber auch noch komplexer.

Abschließend noch ein Wort zu Illustration. Diese finde ich sehr gelungen, wenn auch der Spielplan etwas sehr farbenfroh und abstrakt gestaltet ist. Die Gebäudeplättchen und Karten sind hingegen sehr natürlich illustriert, was gut zum Spiel passt. Am meisten haben es mir und meinen Mitspielern aber die detaillierten Holzkamele und Stadtmauern angetan. Diese fügen sich sehr gut ins Spiel ein und sorgen für ein passendes Flair.

Merw ist ein komplexes und einfaches Spiel zugleich. Einfach bezüglich der Grundmechanik und komplex, weil alle Aktionen stark miteinander durchwoben sind. Trotz des schwierigen Regellernens ist es ein sehr durchdachtes Spiel, was bis zum Schluss die Spannung hält. Zu empfehlen ist es für alle, die das Genre mögen und ein ausbalanciertes Spiel suchen. Für ein einmaliges Spiel auf einem Spieleabend eignet es sich weniger, da man es schon ein paar Mal gespielt haben sollte, um die Zusammenhänge und Strategien zu verstehen.

Name: Merw
Erscheinungsjahr: 2021
Spieler: 1 – 4
Alter: ab 12 Jahren
Dauer: 90 min
Autor(en): Fabio Lopiano
Verlag: Giant Roc

Merw
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