Es geht nach Japan im 18. Jahrhundert in die Burg Himeji. In diesem Kennerspiel versuchen wir, unsere Familien möglichst effizient in und um die Burg zu platzieren und so die Gunst des Fürsten Damiyo zu erlangen. Was sich alles in der kompakten Schachtel befindet und wie sich das Spiel anfühlt, schauen wir uns jetzt an.

Material

Die Schachtelgröße ist fast identisch mit der ebenfalls bei KOSMOS erschienen Roten Kathedrale und prall gefüllt. Neben einem gut faltbaren Spielplan, dicken Spielertableaus und Holzmeeples in den vier Spielerfarben finden sich noch allerlei Token für Münzen und Würfel sowie unterschiedliche Karten in der Box.

Das Artwork ist entsprechend des Themas gestaltet und die Ikonographie ist in den meisten Fällen klar. Gut gefallen haben mir die Ausstanzungen der Spielertableaus, die sich trotz nur einer Schicht so anfühlen wie ein Double-Layer-Board. Optisch schön sind die Pappbrücken, welche zunächst zusammengebaut werden müssen. Auf ihnen werden im späteren Spielverlauf die Würfel platziert. Bezogen aufs Spiel hätte man diese aber auch weglassen können. Die größte Herausforderung dürfte darin bestehen, nach dem Spielen alles wieder in die Schachtel zu bekommen.

Regeln und Ablauf

Die Weiße Burg wird über drei Runden mit genau so vielen Zügen gespielt. Insgesamt ist jeder Spieler also nur neun Mal am Zug. Bevor es soweit ist, muss aber zunächst der Spielplan aufgebaut und mit diversen Karten und Plättchen belegt werden. Diese werden in die Gärten, die Übungsplätze und in die Burg platziert und bieten so für jede Partie unterschiedliche Voraussetzungen und Kombinationsmöglichkeiten.

Vor jeder der drei Runden werden außerdem alle Würfel neu gewürfelt und entsprechend der Augenzahl aufsteigend auf die passenden Brücken gelegt. Die Spielerreihenfolge wird während des Spiels über das Ansehen bestimmt, zu Spielanfang einfach zufällig. Die Spieler dürfen dann noch eine Kombination der ausliegenden Aktionskarten wählen und diese auf dem eigenen Tableau platzieren. So erhalten sie die ersten Ressourcen. Dann kann es auch schon losgehen.

Ein Spielerzug ist vom Prinzip her einfach, bringt durch die verschiedenen Möglichkeiten aber dennoch Komplexität. Zunächst wird ein Würfel am linken oder rechten Rand einer Brücke gewählt. Wählt man den linken Würfel, muss man aufgrund der Sortierung mit der kleineren Zahl vorlieb nehmen, darf aber als Bonus eine Laternenaktion ausführen, durch die man Rohstoffe, Münzen, Ansehen oder Siegpunkte erhält.

Der gewählte Würfel muss dann auf dem Spielplan in der Burg, dem Außengelände, dem Brunnen oder auf dem Spielertableau platziert werden. Ist der Würfelwert größer als der abgedruckte Wert so gibt es Münzen in Höhe der Differenz. Ist der Wert kleiner, so muss man diese als Kosten bezahlen. Im Spiel mit drei oder vier Spieler dürfen Würfel auf dem Spielplan auch einmal gestapelt werden. Die Regeln für die Münzen bleibt dabei erhalten. Um die Auswahl noch etwas schwieriger zu machen, sind auch die Farben der Würfel relevant. Je nachdem welcher Würfel wo genutzt wird, dürfen dann unterschiedliche Aktionen ausgeführt werden.

Dabei gibt es eine Unterscheidung mit der unterlegten Farbe der Aktion. Die hellen Aktionen liefern Ressourcen, Münzen oder Siegpunkte, die dunkel unterlegten Aktionsbereiche erlauben den Einsatz der Familienmitglieder auf dem Spielplan. Die eingesetzten Familienmitglieder sind der primäre Weg, um zu Punkten zu kommen und somit äußerst wichtig. Die Familienmitglieder können in drei Bereichen eingesetzt werden: Garten, Übungsplatz und Burg.

Für einen Einsatz im Garten ist Nahrung notwendig, dann darf einer der fünf Gärtner auf einem der sechs Gartenfelder platziert werden und löst noch eine Bonusaktion aus. Diese kann auch am Ende der ersten beiden Runden zusätzlich ausgeführt werden und bietet neben den Siedepunkten auch mehrfache Aktivierungen.

Für den Einsatz in der Burg als Höfling sind sowohl Münzen als auch Perlmutt notwendig. Die Münzen sind notwendig um die Höflinge am Burgtor zu platzieren, Perlmutt wird genutzt um in höhere Ebenen der Burg aufzusteigen. Beim Aufstieg gibt es so die auf den Karten abgebildeten Ressourcen, sowie eine Verstärkung der eigenen Laternenaktion. Die Höflinge bringen am Ende Siegpunkte, je nachdem auf welcher Ebene sie sich befinden.

Der Einsatz eines Kriegers auf dem Übungsplatz kostet Eisen und bringt je nach Einsatzort wieder Ressourcen oder die Möglichkeit, eine weitere Aktion auszuführen. Die Krieger bringen am Spielende alleine keine Punkte, werden aber mit den Familienmitgliedern, die in der Burg platziert werden, multipliziert und liefern so indirekt Punkte.

Nachdem alle Spieler drei mal am Zug waren, endet die aktuelle Runde. Die neue Spielerreihenfolge wird bestimmt und Gärtner können noch einmal Aktionen ausführen oder Ressourcen erhalten. Die Würfel werden wieder neu gewürfelt und so für die nächste Runde bereit gelegt. Nach insgesamt drei Runden endet die Partie und die Punkte für die einzelnen Bereiche werden aufsummiert. Wer die meisten Punkte hat, gewinnt das Spiel.

Solospiel und Varianten

Bei den meisten Spielen ist ein Solomodus üblich und hier ist die Weiße Burg keine Ausnahme. Als Solo-Gegner stellt sich uns der Tokugawa Clan gegenüber, der durch ein Kartendeck aus neun doppelseitigen Karten gesteuert wird. Die Spielzüge sind denkbar einfach und schnell auszuführen. Die eine Kartenseite zeigt, welcher Würfel durch den Tokugawa Clan benutzt wird und auf welches Feld er platziert werden soll. Eine weitere Karte zeigt dann noch Siegpunkte, Ansehen oder Münzen, welche der Clan erhält, sowie die Platzierung von Familienmitgliedern, die am Spielende genau wie bei einem menschlichen Spieler gepunktet werden.

Kritisch fand ich hier eine Regel, dass für den Fall, dass ein angezeigter Würfel nicht vorhanden ist, der Clan eine weitere Karte zieht, bis ein vorhandener Würfel aufgedeckt wird. Als Konsequenz davon führt der Clan dann aber statt einer, zwei Aktionskarten aus. Je nachdem ob der Clan oder der Spieler zuerst am Zug ist, gibt es dafür pro Runde 2 oder 3 Chancen, dass eine solche Doppelaktion auftritt.

Durch diese Regel ist der Clan auf dem mittleren Schwierigkeitsgrad auch einfacher zu besiegen als auf dem einfachsten, da sich die Startposition für die erste Runde ändert. Der Solo-Gegner punktet durch dieses Zufallselement der Karten auch sehr variabel. In meinen Partien hatte der Gegner Punktespannen von 50-90 Punkten und das unabhängig davon, ob man als Spieler überhaupt die Möglichkeit hat, mit dem zufälligen Spielaufbau diese Punktzahlen zu erreichen.

Für mich und auch andere Solo-Spieler war das eine eher frustrierende Erfahrung, die durch den Gingkogawa Clan aber in eine positive gewandelt werden kann. Der Gingkogawa Clan ist eine Fan-Variante für alternative Solo-Regeln, die dasselbe Kartendeck nutzt, aber in realistischen Bereichen punktet und so das Spielerlebnis definitiv verbessert.

Fazit

Die Weiße Burg bietet ein spannendes Spielerlebnis in einer kompakten Verpackung. Die Regeln sind klar strukturiert geschrieben und die verschiedenen Einsatzbereiche auf dem Spielplan klar abgegrenzt, so dass ein Einstieg in das Spiel gut möglich ist. Das Artwork ist zwar optisch ansprechend, aber das Thema wäre im Endeffekt auch austauschbar

Die angegeben Spielzeit mit 50-70 Minuten ist etwas tief gegriffen und wächst mit der Spielerzahl. Vor allem in den ersten Partien kann diese schon in Richtung von zwei Stunden gehen. Selbst im Solo-Spiel kann man mit 30-40 Minuten pro Partie rechnen. Für die ersten Partien wären fest aufgedruckte Bereiche auf dem Spielplan eine gute Idee gewesen. Diese gibt es zum Beispiel bei Libertalia. So könnte man den Spielaufbau verkürzen und eine stabile Startsituation schaffen, solange die Variabilität des Spiels in den ersten Partien noch nicht wichtig ist.

Kritisch fand ich zunächst die Summe von neun Spielzügen, die sich nach wenigen Aktionen anhört. Wie bereits angedeutet, ist das Platzieren der eigenen Familienmitgliedern der Schlüssel zu vielen Punkten und zum Sieg. Viele dieser Aktionen erlauben als Belohnung das Ausführen von weiteren Aktionen. Dadurch lassen sich Kettenaktionen ausführen, solange die notwendigen Ressourcen vorhanden sind. Das Aufbauen solcher Kettenzüge ist äußerst befriedigend, muss aber mit etwas Planung entsprechend vorbereitet werden. Je nach Spielerveranlagung kann das dann auch mal etwas länger dauern.

Für mich ist das Spiel mit drei Spielern in der optimalen Besetzung. Die Möglichkeit, Würfel aufeinander zu platzieren, erlaubt meistens die gewünschte Aktionen auszuführen, allerdings manchmal mit erhöhten Kosten. Zu zweit kann es passieren, dass die gewünschte Aktion bereits besetzt ist und man dann alternative Platzierungen suchen muss. Die Interaktion zwischen den Spielern ist somit größtenteils indirekt und bildet sich vor allem über die Spielerreihenfolge ab. Durch die geringe Anzahl an Spielzügen kann man so zumindest etwas steuern, dass man selbst die notwendigen Würfel und Aktionen zur Verfügung hat.

Die Weiße Burg bietet Entscheidungen für Spieler die gerne etwas voraus planen möchten und bietet mit einer überschaubaren Menge an möglichen Aktionen ein äußerst befriedigendes Spielerlebnis. Solo-Spielern würde ich die Gingkogawa Clan Variante ans Herz legen, die den Zufallsfaktor einschränkt und so das Spielgefühl wesentlich verbessert.

Name: Die Weiße Burg (The White Castle)
Erscheinungsjahr: 2023
Spieler: 1 – 4
Alter: ab 12 Jahren
Dauer: 50-70 min
Autoren: Sheila Santos, Israel Cendrero
Illustration: Joan Guardiet
Verlag: KOSMOS / Devir

Die Weiße Burg
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