Wir befinden uns im Spätmittelalter, genau gesagt im Jahr 1400. Unser Name ist Abelard Lavel und wir leben in Paris. Nachts plagen uns merkwürdige Träume, die uns schon viele Jahre heimsuchen. Manchmal sind es Gräueltaten aus vergangener Zeit, die hier in der Gegend stattfanden, aber auch Visionen von zukünftigen Ereignissen.

Anfangs war uns das sehr unheimlich und wir behielten es für uns, doch nach und nach wurde uns klar, dass wir diese Gabe nutzen können, um den Bewohnern der Stadt zu helfen. So bauten wir uns einen Ruf auf und wurden bei besonders mysteriösen Fällen zu Rate gezogen. Drei Geschichten bleiben mir besonders in Erinnerung, da diese mich noch bis heute verfolgen und nachts schlecht schlafen lassen.

Was steckt drin

Das Spiel kommt in einer sehr wertigen und stabilen Verpackung einher. Dieser Eindruck bleibt auch beim Öffnen erhalten, da das Inlay aufgeräumt und mit einer durchsichtigen Plastikabdeckung für Ordnung sorgt. Neben verschiedenen Karten (Charakter, Gegenstände, Hinweise, Visionen, Hund) befinden sich mehrere Ortstafeln und ein Spielplan darin, letzterer ist als Umhängetasche illustriert.

Essentieller Bestandteil ist zudem die App, welche für das Spielen Pflicht ist. Sie kann im Apple-Store oder Google-Store kostenlos heruntergeladen werden. Die App leitet uns durch das Spiel und gibt alle Anweisungen und Dialoge vor. Dies funktioniert über die aufgedruckten QR-Codes auf den Karten, welche eingescannt werden müssen.

Spielverlauf

Ein langes Regellesen ist nicht notwendig, denn ein Tutorial führt uns interaktiv durch einen ersten zusätzlichen Einführungsfall und erklärt, wie das Spiel im Detail funktioniert. Eine Story beginnt dabei immer auf die gleiche Art. Wir erhalten nachts eine Vision, welche sich in Form von Visionskarten darstellt. Darauf gezeigt sind beispielsweise ein Ort oder Personen, aber wir können noch keine Zusammenhänge erkennen.

Ein paar Tage später werden wir mit einem Fall beauftragt und erhalten ggf. auch Startgegenstände. Beispielsweise gibt unser Auftraggeber uns Münzen mit, welche wir in Form einer Karte erhalten und für den Marktkauf verwenden können. Das war es auch schon und wir sind auf uns allein gestellt und müssen den Fall lösen. Wie wir dies anstellen, bleibt größtenteils uns überlassen. Möglich ist es beispielsweise, Personen vor Ort zu befragen. Dazu wird mit der App der QR-Code der jeweiligen Person eingescannt und es startet ein Dialog mit evtl. weiteren Informationen.

Es kann aber auch passieren, dass uns die Person nicht vertraut, keine weiteren Geheimnisse hat oder sich merkwürdig verhält. Auch können wir Personen nach bestimmten Gegenständen fragen, die wir bereits gefunden oder von denen wir gehört haben. Gegenstände werden dabei in unser Inventar auf dem Spielplan gelegt, wobei der rote Bereich bedeutet, dass wir den Gegenstand besitzen (was meist mehr Optionen verfügbar macht) und Blau, dass wir von dem Gegenstand wissen, ihn aber noch nicht haben.

Manche (Tat-)Orte lassen sich zudem genauer nach Hinweisen untersuchen. Dabei schaltet die App in einen 360° Panoramamodus, welcher sich per Fingerwisch beobachten lässt. Eine Person hat nun 40 Sekunden Zeit, den Tatort anzusehen und zu beschreiben, während die Mitspieler nach den passenden Hinweisen und Gegenständen im Kartendeck suchen. Wer möchte, kann dies mit geeigneter Brille sogar im VR-Modus tun, was ein cooles Gimmick ist.

Selbstverständlich ist es auch möglich, einen anderen Ort aufzusuchen, was durch das Einscannen der Ortstafel geschieht. Dabei kommt es sogar darauf an, zu welcher Tageszeit wir eine Gegend aufsuchen. Es kann daher passieren, dass manche Personen nicht oder erst später dort anzutreffen sind oder der Marktstand am Marktplatz geschlossen hat.

Zeit vergeht in Chronicles of Crime pro Handlung. Eine Personenbefragung kostet pauschal 5 Minuten Spielzeit, ein Ortswechsel 20 Minuten. Je schneller man den Fall löst, umso besser fällt die Endwertung aus.

Sollte man einmal nicht weiterkommen oder Hilfe benötigen, so gibt es Unterstützung in Form unseres treuen vierbeinigen Begleiters Parzival. Dieser kann an Gegenständen schnüffeln und führt uns zu Orten bzw. Personen, auf die die Fährte passt. Auch stehen unser Onkel (Mönch), unsere Schwester (Händlerin) und unser Bruder (Spion) stets für einen Tipp an unserer Seite. Dies ist besonders hilfreich, wenn wir weitere Informationen zu einem Gegenstand benötigen oder eine Person aufsuchen müssen. Garantie, dass sie uns weiterhelfen gibt es jedoch keine.

Spielende

Sobald wir genug Fakten gesammelt haben, können wir uns dazu entschließen, den Fall zu lösen. Dies geschieht über die App, indem wir auf Fall aufklären tippen. Nun werden uns verschiedene Fragen gestellt, welche wir beantworten müssen. Auch zählen in die Schlusswertung unsere benötigte Zeit und der Besitz von (für den Fall wichtigen) Gegenständen und Hinweisen mit ein. Am Ende erhalten wir ein Ranking von 0-10 und können einschätzen, wie gut wir den Fall gelöst haben. Auch ist ein erneutes Spielen möglich, wenn wir uns nicht die Erklärungen durchlesen.

Fazit

Unsere erste Reaktion war: „Wow, ist das ein gutes Story-Spiel!“. Alles wirkt flüssig und aufeinander abgestimmt. Die Mischung aus Brettspiel, Elementen eines PC-Spiels und einem Fernseh-Krimi sind es, was Chronicles of Crime so einzigartig macht. Aber beginnen wir am Anfang.

Allein die Aufmachung der Verpackung und die Präsentation des Inhalts sind hochwertig und gut durchdacht. Jedes Spielelement hat seinen Platz und die Karten sind durchweg passend illustriert. Ein großes Lob verdient auch die App. Es kam zu keinerlei Abstürzen, Fehlern oder anderen Problemen. Alles ist übersichtlich gestaltet und es wird genau beschrieben, was man tun soll. Vor allem solche Momente, in denen wir einen Tatort untersuchen durften, blieben im Gedächtnis. Das erinnert sehr an ein PC Spiel, wo man sich virtuell umsieht und nach Hinweisen sucht.

Den VR-Modus konnten wir leider nicht nutzen, aber allein, dass es diese Möglichkeit gibt, finden wir klasse. Einzig eine Vertonung der vielen Texte fehlt, was ich sehr schade finde, denn eine Person ist immer mit Lesen beschäftigt, während die anderen Mitspieler in der Zeit „nichts“ tun können. Auch hat nicht jeder ein passendes Tablet zur Hand, auf dem die Texte größer darstellbar wären. Ein bis zwei Stunden auf ein kleines Handydisplay zu schauen, welches definitiv einen Großteil des Spiels vereinnahmt, ist doch ermüdend und anstrengend. Als Tipp: Eine Bildschirmspiegelung des Displays kann für große Entspannung sorgen.

Über die Fälle möchte ich nicht zu viel schreiben, da jeder Hinweis bereits einer zu viel ist und das Spielgeschehen beeinflussen könnte. Nur so viel: Alle drei Fälle sind abwechslungsreich und plausibel inszeniert und passen in die Zeitepoche. Der Schwierigkeitsgrad reicht von leicht, über mittel bis schwer und ist auch für erfahrene Spieler eine Herausforderung. Jeder Fall lässt mehrere Herangehensweisen zu und so kann es vorkommen, dass man am Ende zwar den Fall aufgeklärt hat, aber bestimmte Gegenstände nicht fand oder veräußern musste, um weiter zu kommen. Das erhöht den Wiederspielwert und sorgt auch in einer neuen Runde für Abwechslung.

Die Entwickler haben wirklich viel Zeit investiert, das Spielerlebnis so immersiv wie möglich zu gestalten. Oftmals verliert man sich so sehr in der Geschichte, dass man vergisst, dass es sich um ein Brettspiel handelt. Vielmehr könnte es sich auch um einen Film handeln, denn die Illustrationen und Dialoge lassen einen nach jeder Spielminute immer weiter in die Welt eintauchen. Das verdient ein großes Lob und könnte nur noch durch eine Vertonung gesteigert werden.

Eine Partie dauert ca. ein bis zwei Stunden. Das angegebene Alter von 12 Jahren halte ich für nachvollziehbar, wobei es kein reines Kinderspiel ist. Ob eine Gruppe 12-jähriger die Ausdauer, das Wissen und die Geduld hat, eine Partie erfolgreich zu beenden, wage ich eher zu bezweifeln. Es richtet sich doch ganz klar an Story- und Rätselfreunde und weniger an Familien. Ob allein gespielt oder in größerer Gruppe ändert nichts am Spielspaß. Mehr als vier Personen sollten es aber nicht sein, da man sich sonst nicht so richtig einbringen kann.

Chronicles of Crime 1400 ist eines der besten Storyspiele, welches ich kenne. Es verbindet Elemente aus der PC-Spiele und Fernsehwelt, mit denen eines Brettspiels auf gekonnte Art. Vor allem der interaktive Charakter mittels gut durchdachter App ist es, was Chronicles of Crime so einzigartig und genial macht. Wer auf diese Art von Spiel Lust hat, kann beherzt zugreifen und wird sicherlich nicht enttäuscht werden. Und wer alle Fälle bereits gelöst hat oder wem das Spätmittelalter nicht so zusagt, für den lohnt sich ein Blick auf weitere Editionen, beispielsweise Chronicles of Crime 1900 oder 2400.

 

Name: Chronicle of Crime 1400
Erscheinungsjahr: 2021
Spieler: 1 – 4
Alter: ab 12 Jahren
Dauer: 60 – 90 min
Autor(en): Pierre Buty, Grzegorz A. Nowak
Verlag: Corax Games

Chronicles of Crime 1400
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