Als Fan von Stefan Feld war ich gespannt auf sein neuestes Werk, Civolution. Bereits bei den ersten Spielrunden wurde ich von der Komplexität des Spiels überrascht, die die bisherigen Werke des Autors bei weitem übersteigt, die mich zwar gefordert, jedoch nicht erschlagen hat.

Diese Überraschung empfand ich als angenehm, da man ja bereits im Vorfeld davon wissen konnte und ich mich auf dieses „Experiment“ gefreut habe. Ich fühlte mich durch die Vielfalt der Mechaniken und das strategische Potenzial angesprochen, das es zu entdecken gilt.

Hauptsächlich zusammen zu zweit, aber auch im Solomodus, habe(n) wir/ich uns/mich auf das Abenteuer eingelassen, und es wurde schnell klar, dass Civolution eine ganz eigene Spielerfahrung bietet.

Material

Das Spielmaterial von Civolution ist zum größten Teil von guter Qualität. Die Karten haben eine angemessene Robustheit, was sie trotz häufiger Nutzung langlebig genug macht, auch wenn es immer noch Verbesserungspotenzial gäbe (z.B. Linien-Finish). Die Pappplättchen sind dick, könnten jedoch durch ihre dünne Beschichtung bei wiederholtem Umdrehen schnell etwas „abgegrabbelt“ wirken. Die Holzmarker sind klein, was für die Darstellung der vielen Waren und Attribute jedoch akzeptabel ist.

Der Gesamtpreis von 90 € ist etwas zu hoch angesetzt, angesichts der Menge an gutem Material kann man ihn gerade so rechtfertigen. Ich persönlich halte ihn dennoch für ein klein wenig überzogen, wenn man es mit üblichen Marktpreisen der Konkurrenz vergleicht.

Über Geschmack sollte man nicht, kann man aber sehr wohl streiten, aber in meinen Runden gefiel die Aufmachung, bis auf das etwas biedere, technisch angehauchte Cover. Auf dem Tisch wussten die Grafiken von Dennis Lohhausen durchgehend zu überzeugen, vom Cover also bitte nicht abschrecken lassen.

Die Ikonografie ist hervorragend eingängig und sobald man alle Symbole einmal gesehen und verstanden hat, sorgt sie sehr zufriedenstellend für eine gute Erinnerung. Sie ist schlüssig, intuitiv und mit der gewissen Kenntnis auch gut merkbar oder im Zweifel herleitbar oder deduzierbar. Dafür ein großes Lob von mir, es ist sehr hilfreich und notwendig, bei solch einem gewichtigen „Brocken“ von Strategiespiel!

Die empfehlenswerte strukturierte Anleitung mit einem hilfreichen Index erleichtert das Einarbeiten in die Spielregeln, sowie das Suchen bei Fragen während des Spielens.

Wie geht das, was ist die Besonderheit

Civolution ist, wie bereits erwähnt, ein komplexes Spiel, das die Spieler in die Rolle von Studenten einer skurrilen, futuristisch angehauchten Universität versetzt, die darum wetteifern, eine erfolgreiche Zivilisation aufzubauen.
In jeder Runde haben die Spieler die Möglichkeit, durch Einsetzen genau zweier Würfel eines der upgradebaren Hauptmodule auf dem eigenen Spielertableau zu aktivieren. Sie führen abwechselnd eine Aktion durch, bis eine bestimmte Anzahl an „Resets“ erreicht ist, d.h. wenn alle Würfel genutzt und keine weiteren Aktivierungen mehr möglich sind oder alternativ wenn man keine Aktionen mehr machen möchte.

Dadurch schreitet man auf einer Leiste voran, die nach einer bestimmten Anzahl an Resets (je nach Spielerzahl) das Ende der Epoche einleitet. Die Aktionsoptionen sind dabei sehr vielseitig und reichen vom Aufbau und der Ausbreitung von Stämmen auf einem anschaulichen und sehr variablen Spielplan in der Mitte, über Ressourcenmanagement auf selbigem und dem eigenen Tableau, bis hin zum umfangreichen Kartenmanagement. Diese Karten repräsentieren Erfindungen, Erkenntnisse, Errungenschaften, Bauwerke und Mutationen, die hier jede Zivilisation charakterisieren.

Das Spiel bietet somit einen tief verzahnten und durchdachten Spielverlauf, bei dem die verschiedenen Mechaniken, wie z.B. Karten ausspielen, Exploration bzw. Sammeln der Ressourcen auf dem Spielplan, Einkauf und Verkauf selbiger oder taktische Würfelnutzung gut zusammenwirken. Obwohl die Komplexität die bisherigen Spiele von Stefan Feld übersteigt, laden die wiederum flotten und nicht komplizierten einzelnen Spielzüge dazu ein, die vielen Mechanik-Symbiosen zu entdecken. Überhaupt ist Entdecken hier großgeschrieben, denn die Vielzahl an Optionen bietet eine enorme Langzeitmotivation und somit Wiederspielbarkeit, wie bei kaum einem anderen mir bekannten Eurogame.

Die Downtime ist in der Regel angenehm, da die meisten Aktionen, wie bereits erwähnt kurz und schnell ausgeführt werden können. Allerdings gibt es einige Aktionen, wie zum Beispiel beim Upgraden der Hauptaktionen, bei der die Spieler aufgrund der Anzahl von 22 verschiedenen Möglichkeiten schon auch ins Grübeln kommen können, was die eh bereits abendfüllende Spielzeit- bzw. -Geschwindigkeit beeinflussen könnte. Während der Spielfluss bei 2 oder 3 Spielern also angenehm bleibt, könnte, trotz der unkomplizierten Aktionen, eine Vierer-Runde mit Grüblern die Spielzeit erheblich verlängern.

Am Ende des Spiels gibt es, typisch für Stefan Feld, einen „Punktesalat“, der hier jedoch nicht so ausufernd ausfällt und durch eine gute Struktur leicht von der Hand geht. Dennoch macht man gut die Hälfte, wenn nicht sogar mehr, seiner Punkte in der Endwertung.

Etwas merkwürdig ist die Möglichkeit quasi unendlich spielen zu können mit der Aktion „Planung“, da man hier aus zwei Würfeln/Markern gleich 3 Marker erzeugen kann und bei Wiederholung theoretisch unendlich weitermachen könnte und somit alle gewünschten Aktionen ausführen könnte. Es bewahrheitete sich bisher allerdings bei unseren Spielerunden eher, dass die Spieler aus Eigeninteresse nicht mitziehen und durch normales Spielen somit gegensteuern, dann ist diese Strategie reine Zeitverschwendung, da man in der gleichen Zeit Sinnigeres machen kann.

Dennoch besteht durchaus das Risiko, dass bei ähnlich ausgewogenen Punktezwischenständen alle Spieler sich darauf einlassen, das ist bei uns jedoch noch nicht passiert und ist reine Theorie. Womöglich handelt es sich auch um einen Regelfehler unsererseits, was aber in der Anleitung so nicht herauszulesen zu sein scheint. Man könnte es auch positiv sehen und bei unerfahrenen Spielern würde es für eine Erleichterung sorgen, mal „alles durchzuentdecken“. Ich vertraue daher hierbei auf die ausgiebigen Testrunden der Produzenten.

Fazit / Wie finde ich es / Für wen ist es geeignet

Insgesamt bin ich als Feld-Kenner von Civolution angetan, wenn auch doch (noch) nicht restlos begeistert. Auch weil die recht hohe Glückskomponente der Würfel, vor allem des sogenannten Schicksalswürfels, der quasi eine Probe darstellt, fast schon wie bei einem American Style Game, zu manch frustiger Situation führen kann, bedenkt man die Spielzeit von locker 2-3 Stunden, wenn jeder am Tisch es beherrscht! (Erstpartie 4+h).

Das Glück lockert zwar die gesamte Sache etwas auf, und macht es für Bauchspieler wie mich angenehmer zu spielen, stellt einen aber auch ab und an vor schier unüberwindbare Hürden, möchte man den Anschluss an die Kontrahenten nicht abreißen lassen. Womöglich hat es hier Stefan Feld etwas überreizt, der Schicksalswurf ist hier jedenfalls wörtlich zu verstehen, was mir aufgrund der Emotionalität Fluch und Segen zugleich ist.

Dass hier aber auch taktische Entscheidungen der Strategie untergeordnet werden müssen, jedoch durchaus von Nöten sind und auch mit etwas Nervenstärke für ein erfolgreiches Umplanen relevant sein könnte, sollte jeder wissen, der hier ein knallhartes, durchplanbares Strategiespiel erwartet. Das Spiel bietet eine unverzeihliche, aber auch abstrakt atmosphärische und fesselnde Erfahrung, die trotz ihrer Komplexität gut funktioniert.

Es ist zwar wenig vergleichbar mit der sonstigen Spielevita des Autors, allerdings wird mit der eingeflochtenen Würfelkomponente als Aktionsauswahl dennoch seine Handschrift erkennbar, die mich bisher in vielen Fällen überzeugen konnte, mir immer wieder eine neue Partie zu wünschen. Eben weil es halt mal auch durch Pech schief laufen kann, und man bereits kurz nach Ende einer Partie schon gedanklich bei Verbesserungen der eigenen Spielestrategie fürs nächste Mal hängt. Uns ist das jedenfalls bisher jedes Mal so passiert, was dann doch für das Spiel spricht, denke ich.

Civolution eignet sich also besonders für Spieler, die Freude an komplexen, strategischen, leicht taktischen und tiefgehenden Expertenspielen haben. Jedoch wird es reine Bauchspieler oder gar Neueinsteiger mit Sicherheit ziemlich überfordern. Mit der richtigen Spieleranzahl und Spielgeduld- bzw -einstellung ist das Spiel ein durchaus lohnendes Erlebnis.

Besonders für leidenschaftliche Brettspiel-Entdecker, mit Freude an Strategie gepaart mit taktischen Möglichkeiten, und zumindest der Akzeptanz zu doch etwas viel Glück, sowie genügend Lust am Entdecken, und genügend Zeit beim Spielen ist es empfehlenswert.

Für eine etwas kleinere Zielgruppe, bei der die genannten Voraussetzungen allesamt optimal passen, bescheinige ich Civolution sogar ein sehr empfehlenswert, dafür macht es einfach das, was es will, zu gut. Für alle, denen Glück in einem Strategiespiel bei einer so langen Spielzeit nicht auf den Tisch kommen darf, gilt: Entweder toleriert es im Sinne der Abwechslung.. oder lasst die Finger davon, es gibt genug Durchplanbares auf dem Brettspiel-Markt.

Erscheinungsjahr: 2024
Spieler: 1-4
Alter: ab 14 Jahren
Dauer: ca 180 min
Autor(en): Stefan Feld
Verlag: Deep Print Games (Vetrieb Pegasus)

Civolution
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