Willkommen in den Alpen der 1920er! Die Natur ist noch unberührt, aber nicht mehr lange, denn wir sind angetreten, die Kraft des Wassers für uns zu nutzen und unsere Wettbewerber wortwörtlich auszutrocknen. Wasser fließt bekanntlich von oben nach unten ab, aber wo Wasser gerade dort ist, kann es im nächsten Augenblick nicht mehr vorhanden sein.

Wasserkraft ist ein echtes Schwergewicht. Damit ist nicht nur die imposante Schachtel gemeint, randvoll gefüllt mit Spielmaterial, sondern auch die Komplexität des Spiels. Diese ist vergleichbar mit Brass Birmingham, das Frustpotential ist jedoch deutlich höher. Ehe man sich versieht, steckt man in der Sackgasse fest und kommt nicht mehr heraus. Bitter, wenn gerade die zweite von fünf Runden zu Ende gegangen ist.

Jeder Spieler leitet ein Energieunternehmen mit dem Ziel, möglichst viel Energie zu produzieren, um lukrative Energieverträge zu erfüllen, die Boni und Siegpunkte bringen. Die Energieunternehmen sind asymmetrisch aufgebaut. Jeder Spieler startet zwar mit der gleichen Anzahl an Ressourcen und Gebäuden, aber jedes Unternehmen hat eine spezielle Fähigkeit, die im Spielverlauf bestmöglich ausgenutzt werden sollte. Die Asymmetrie wird durch die Chefingenieure verstärkt. Jedes Unternehmen heuert einen Chefingenieur an, der ebenfalls eine besondere Fähigkeit hat. Diese Mischung aus den verschiedenen Fähigkeiten der Unternehmen und Chefingenieure sorgt für die nötige Abwechslung bei den Partien.

Der Spielplan stellt die Alpen dar, die in drei Bereiche aufgeteilt sind: Berge, Hügel und Vorland. In jedem Bereich befinden sich Täler, in jedem Tal können verschiedene Gebäudetypen errichtet werden. Das Spiel kennt drei Gebäudearten: Staumauer, Rohrwerk und Turbinenhaus. Zu Spielbeginn werden per Zufall neutrale Staumauern platziert, damit wird eine Energieproduktion in den ersten Runden überhaupt ermöglicht.

Um Energie zu produzieren, muss das Wasser hinter einer Staumauer gestaut werden. Dieses Wasser muss schließlich durch ein Rohrwerk zu einem Turbinenhaus gelangen. Was schlüssig und simpel ist, führt im Spielverlauf zu kniffligen Situationen: damit mein Unternehmen Energie produziert, muss das Wasser hinter einer meiner oder einer der neutralen Staumauern verfügbar sein und dann durch ein beliebiges Rohrwerk zu einem meiner Turbinenhäuser fließen.

Durch diese Voraussetzungen kommen sich die Spieler gehörig in die Quere. Die Nutzung eines fremden Rohrwerks ist kostenpflichtig und in einem Tal können mehrere Staumauern errichtet werden. Was bei der Errichtung des Gebäudes als genialer Schachzug bezeichnet wird, ist ein paar Züge später der Rohrkrepierer schlechthin und entscheidet möglicherweise über Sieg oder Niederlage.

Alle Aktionen des Spiels werden durch Worker Placement ausgelöst. Jedes Unternehmen verfügt über zwölf Arbeiter. Eine Aktion kostet bis zu drei Arbeiter und zum Teil Geld.
Verfügbare Aktionen sind:

  • Gebäude errichten – neben den Arbeitern sind auch Ressourcen in Form von Maschinen erforderlich. Hier haben sich die Autoren etwas schönes überlegt: die Maschinen sind beim Bau nicht einfach weg, sondern kommen auf eine Drehscheibe, die sich in 1/6-Schritten bewegen kann, zusammen mit dem passenden Technologieplättchen. Nach einer vollen Umdrehung stehen die Maschinen wieder zur Verfügung.

    Eine Herausforderung ist es, die besagte Drehscheibe in Bewegung zu bekommen. Hierfür muss ich weitere Gebäude bauen oder Aktionen auslösen, die mir das Weiterdrehen ermöglichen. Die Bauaktion ist sehr wichtig, denn darüber werden neue Einkommen freigeschaltet. Das Technologieplättchen gibt vor welches Gebäude gebaut werden darf. Auch hier gilt: erst nach einer vollen Umdrehung steht das Technologieplättchen wieder zur freien Verfügung.

  • Energieproduktion: abhängig von der gestauten Wassermenge und Fähigkeit des verwendeten Rohrwerks wird Energie produziert. Produzierte Energie wird benötigt, um Verträge zu erfüllen sowie auf der Energieleiste voranzukommen, die in jeder Runde Geld und Siegpunkte generiert.

  • Wassermanagement: mit diesen Aktionen kommt zwischen den Runden  zusätzliches Wasser ins Spiel. Das Platzieren erfordert Antizipation, schließlich will sich derjenige Spieler damit in einem Folgezug einen Vorteil sichern.

  • Bank: hier werden Arbeiter gegen Geld getauscht.

  • Werkstatt: ermöglicht das Weiterdrehen der Drehscheibe.

  • Maschinenausstellung: gegen Geld können zusätzliche Maschinen beschafft werden.

  • Verträge: hier sichern sich die Spieler Verträge, die später mit der Energieproduktion erfüllt werden. Als Belohnung winken Siegpunkte, neue Maschinen, kostenlose Gebäude, usw….

  • Patentamt: hier ist es möglich, neue Technologieplättchen zu erwerben, die zum Bau eines Gebäudes verwendet werden und obendrauf eine Belohnung auslösen.

Sobald alle Arbeiter eingesetzt und die Aktionen abgearbeitet wurden, wird das Ende der Runde eingeläutet. Wasser bewegt sich (und bildet die Grundlage für die nächste Runde). Es erfolgt eine Zwischenwertung. Abhängig von der Position auf der Energieleiste gibt es Siegpunkte und Geld. In jeder Runde greift ein anderes Bonusplättchen. Um den vollen Bonus zu erhalten, muss mit jeder Runde die produzierte Energiemenge gesteigert werden.

Nach fünf Runden ist das Spiel zu Ende, es erfolgt eine Endwertung. Mit der Erfüllung des Zielplättchens können bis zu 15 Siegpunkte noch eingeheimst werden, frei verfügbare Ressourcen und Wasser hinter den eigenen Staumauern bringen ebenfalls Punkte.

Wie eingangs erwähnt, kann Wasserkraft für Frustmomente sorgen. Wer Pech hat, hat sich früh ins Aus manövriert und weiß schon zur Mitte des Spiels, dass er chancenlos ist. Die Punkteabstände können mitunter sehr groß sein. In einem solchen Fall ist es alles andere als einfach motiviert zu bleiben: die Spieldauer beläuft sich auf ca. 45 Minuten pro Spieler, in den Anfangspartien deutlich mehr, schließlich muss erst ein Gefühl entwickelt werden wie getätigte Aktionen sich auswirken.

Wer auf Worker Placement und Expertenspiele steht, sollte sich auf jeden Fall Wasserkraft anschauen. In Zeiten von social distancing empfiehlt sich Tabletopia (im Browser oder über Steam spielbar). Dort gibt es eine schöne Umsetzung des Spiels.

Wasserkraft
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