Um es gleich vorweg zu nehmen, ich übe in dieser Rezension starke Kritik an der redaktionellen Bearbeitung der Anleitung des Spiels. Mir ist klar, dass alle Beteiligten sich große Mühe in der Entwicklung und Veröffentlichung eines solchen Spiels gegeben haben.

Aber: Ich verstehe einfach nicht, wie man ein eigentlich wirklich gelungenes Spiel mit solch einer fehlerhaften und unvollständigen Spielanleitung ausstatten kann, zumal das Spiel im höheren Preissegment liegt und das vorliegende Exemplar bereits eine deutsche Lokalisierung ist, bei der die vorhandenen Fehler aus der englischen Version hätten ausgemerzt werden können.

Das Spiel The Few and Cursed basiert thematisch auf der gleichnamigen Comic – Reihe. Es spielt im postapokalyptischen wilden Westen  und ist grafisch sehr ansprechend umgesetzt. Die Mängel haben also nichts mit dem Artwork selbst, wohl aber teilweise mit dem grafischen Gamedesign zu tun.

Hier also ein Versuch, darzustellen, warum mir The Few and Cursed trotz allem Ärger gefällt, nachdem ich alle Regeln recherchiert und notiert habe. 

Worum geht es 

Als Spieler sollen wir möglichst viel Schneid sammeln. Diesen erhalten wir durch das Bekämpfen von Gegnern und das Erfüllen von Jobs. Finden wir wertvolle Artefakte, wird auch dies mit zusätzlichem Schneid belohnt. Durch das Ausspielen von Karten erhalten wir Bewegungs und Angriffspunkte, um diese zum Reisen und für die Kämpfe zu verwenden. Mit Geld und Ausrüstung können wir unsere Eigenschaften verbessern und stärkere Gegner besiegen. Manchmal müssen wir in Kauf nehmen, verflucht zu werden, aber das behindert unsere Handlungsfähigkeit nicht erheblich, sondern macht uns manchmal sogar stärker.

Aufbau (fast) unmöglich

Positiv anzumerken ist, dass wir es mit einem beidseitig bedruckten Spielplan zu tun haben. Es gibt eine Tagseite und eine Nachtseite, auf der Bewegungen deutlich teurer sind. Das verlängert selbstredend auch die Spielzeit, denn man benötigt deutlich mehr Ressourcen, um sich fortbewegen zu können.

Was aber sehr störend ist: Der Spielplan ist übermäßig groß. Man benötigt einen sehr großen Tisch, zumal auch noch Spielertableaus, Marker  und Karten neben den Plan und Tableaus ausgelegt werden müssen. Ein offensichtlicher Designfehler ist hierbei, dass es Ablageorte für alle Karten, außer für das Verbesserungsdeck auf dem Spielplan gibt, obwohl dies eigentlich eins der Haupt- Spielelemente ist. Zudem ist die Anordnung der einzelnen Bereiche in sich nicht schlüssig. Der Bereich der Bewegungen könnten deutlich kleiner gestaltet werden, um insgesamt den Spielplan kompakter halten zu können.

Wie geht das Spiel wirklich?

Mit der Anleitung kann man das Spiel nicht vollständig erlernen. Das liegt vor allem daran, dass die einzelnen Phasen und Aktionen durcheinander geworfen werden  und viele wichtige Details einfach überhaupt nicht erklärt werden.

Es gibt folgende vier Phasen. Da es Phasen sind, werden diese immer von allen Spielern reihum durchgeführt, bevor die nächste Phase beginnt.

1. Phase: “Improvisation”

Dies ist die Deckbuilding – Phase. Eigentlich ist es eher Deckbuilding Light. Die Spieler ziehen zwei Karten vom Verbesserungsdeck, nehmen eine Karte auf die Hand und werfen die andere ab. Auf Auslage und Kaufoptionen wird in diesem Spiel verzichtet und nur dieser einfache Drafting Mechanismus angewendet. Da es genügend Karten gibt, das Deck auszudünnen, schlägt diese “Pflicht- Annahme” einer Karte pro Runde nicht negativ zu buche, zumal für längere Reisen auch ein etwas größeres Deck benötigt wird.

Die Spieler beginnen das Spiel jeweils mit einem individuellen Deck, von dem sie bereits vier Karten auf der Hand haben. Diese und die hier gezogene fünfte Karte bringen dem Spieler die Ressourcen Bewegung, Angriff,  Fluch und Wasser. Karten dürfen jederzeit ausgespielt werden und unterliegen keiner festen Aktion.

Bewegungs- und Angriffspunkte sind virtuelle Währungen, die bis zum Ende des Zuges verfügbar sind und dann verfallen, falls nicht verwendet. Beide sind durch Charaktereigenschaften und Ausrüstung manipulierbar.

Wasser ist die Geld – Währung des Spiels. Wasser ist es deshalb, weil das zum Kontext des Comics gehört. Gefühlt ist es aber Geld und so wird es auch in der Anleitung genannt. Wir erhalten also Geld durch Wassermarker mit einem aufgedruckten Dollarzeichen, was höchst Inkonsistent ist. Will man im Thema bleiben, so sollte man auch hier bei Wasser bleiben und dem Spiel dem Comic entsprechende Tropfen, Vorratsflaschen oder ähnliches beifügen.

Im  Übrigen ist in der Anleitung keinerlei Unterscheidung zwischen virtuellen und festen Währungen zu finden. Denn neben dem Wasser / Geld ist auch die Ressource “Fluch” fest und wird auf der Charaktertafel eingetragen.

2. Phase: „Begegnung

Hier ist es entscheidend, ob man sich in der Heimatstadt St. Andreas befindet oder ob man gerade unterwegs ist. In St. Andreas können die Spieler Aufträge (Jobs) annehmen oder in den local Store gehen, um einzukaufen. Eine wichtige Option wird aber in der Anleitung unterschlagen: Die Spieler dürfen hier auch Gesundheit und Waffenfähigkeit verbessern, sowie ihre Fluchschwelle erhöhen. Dies ist sinnvoll, um verfluchte Karten spielen zu können, ohne selbst verflucht zu werden.  

Befindet man sich in einer Wüste, Ruine oder Schlucht, muss man eine Begegnungskarte ziehen und diese gemäß seiner Örtlichkeit ausführen. Zu unserer Überraschung sind diese Begegnungen nicht unbedingt negative Ereignisse. In verfluchten Orten müssen die Spieler anstatt einer normalen ein spezielle Begegnungskarte ziehen, die verschiedene Optionen zum Einlösen bietet. 

3. Phase: „Genau eine Aktion spielen

Kommen wir zur verwirrendsten Passage der Anleitung: Bewegung. Diese ist in der Aktionsphase untergebracht, ist aber selbst gar keine Basis – Aktion, sondern eine zusätzliche Option, die vor und/oder nach der eigentlichen Aktion durchgeführt werden darf. Dabei gelten einige Bedingungen, die anstatt im regulären Anleitungstext in den FAQ abgehandelt werden, z.B. Begegnungen mit Miniatur – Monstern am selben Ort..

Zu den Basis – Aktionen gehören:

  • Monster aus der Wanted oder Most Wanted Auslage besiegen (Bringt Geld/Wasser und Schneid)
  • ein Lager aufschlagen (Deck und Ablage zusammenmischen und einen Lebenspunkt erhalten)
  • eine weitere Begegnungskarte ziehen und ausführen
  • Einen Mitspieler ausrauben oder mit ihm Gegenstände tauschen, falls er am selben Ort ist
  • Die individuelle Charaktereigenschaft ausführen
  • ein Artefakt finden, falls man sich an einem der Eckorte befindet. 

4. Phase: „Aufräumen“

Die Aufräumphase ist gar keine Aufräumphase, den hier passiert noch etwas. Sollten im späteren Spielverlauf Boss Monster ins Spiel kommen, so bewegen sie sich in dieser Phase auf kürzestem Weg die Stadt zu. Üblicherweise kommen diese Monster, die durch eindrucksvolle Miniaturen verkörpert werden, dann ins Spiel, wenn ein Most Wanted Stapel weit genug abgearbeitet ist. Sollte jedoch ein Spieler schon vorher 21 Schneidpunkte besitzen, ist die ebenfalls ein Auslöser für den Spawn des Monsters.

Bei Deck(bau) Spielen ist es immer von Bedeutung, wann genau das Deck gemischt werden soll und welche Karten in diesem Fall ins Deck gehören. Meist sind “im Spiel befindliche” Karten vom Mischen ausgeschlossen. In The Few and Cursed ist dies leider nicht genau beschrieben, jedoch gibt es hier eine weiteren Effekt, der zu dem Schluss bringt, dass Karten im Spiel nicht ins Deck gemischt werden, wenn dies leer ist: Die Rückkehr nach San Andreas.

Wenn ein leeres Deck die Rückkehr nach San Andreas auslöst, so findet die Rückkehr der Figur immer erst in dieser Aufräumphase statt, auch dann, wenn das Deck in der Aktionsphase leer gelaufen ist. Dort – in der Aktionsphase – darf der Spieler erst einmal alle Karteneffekte zuende spielen und auch weitere Karten nachziehen.

Spielende 

Für das Spielende gibt es mehrere Bedingungen. Die katastrophalste ist, dass ein Monster die Stadt San Andreas erreicht und erobert. Dann haben alle das Spiel verloren. Oder doch nicht? Laut Anleitung gibt es jetzt trotzdem eine reguläre Abrechnung nach dem Spieler mit dem größten Schneid.

Wenn alle Artefakte gefunden wurden, ist das Spiel ebenfalls beendet. Hierzu muss man aber wissen, dass ein Spieler immer nur ein Artefakt einer der vier Farben besitzen darf. Er muss also in allen vier Ecken des Spielplans gewesen sein.

Schließlich endet das Spiel auch, wenn das dritte von vier Monstern besiegt wurde. 

Solo oder Kooperativ

Solo Varianten liegen im Trend. Few and Cursed lässt sich tatsächlich ganz gut im Solomodus spielen. Hier werden sogar drei unterschiedliche Szenarien angeboten, nachdem ein Spieler gegen das Spiel antreten kann.

Wer nicht kompetetiv veranlagt ist, kann das Spiel aufgrund seiner Grundstruktur auch ganz gut kooperativ  spielen. Dabei werden die Schneidpunkte aller Spieler zusammen gezählt und eine Bedingung für Sieg oder Niederlage gegen das Spiel festgelegt, Diese Variante empfiehlt sich zudem auch zum Erlernen des Spiels.

Fazit

Einem eigentlich eingängigen und auch in seiner Art unterhaltsamen postapokalyptischen Westernspiel mit Deckbuilding Komponente wird der Einstieg erschwert, weil wesentliche Bestandteile der Spielmechanik nicht in der Spielanleitung erläutert werden, sondern erst umständlich aus FAQs, Videos und Forumsbeiträgen zusammengesucht werden müssen. Das ist aufwendig und erzeugt eine hohe Einstiegshürde.

Hier sollte der Verlag dringend redaktionell nachbessern und eine vollständige (!) neue Spielanleitung herausbringen. Zudem würde dem Spiel in einer späteren Auflage ein deutlich verkleinertes Spielbrett gut tun. Damit könnte man auch die weiteren Mängel wie den zu großen Aufklebern für die Artefaktsteine sowie den nicht zum Comic – Thema passenden Geldmarkern  ausbessern. 

Dem Spiel selbst sind diese Mängel  wie bereits erwähnt, nicht zuzuschreiben. Es entwickelt viele interessante Wendungen, ist kurzweilig und herausfordernd. Für jemanden, der Deckbuilder in Verbindung mit anderen Komponenten wie etwa dem Wettlauf um die besten Artefakte  oder die Adventure Elemente mag, ist The Few and Cursed auf jeden Fall eine Empfehlung.

The Few and Cursed
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2 Kommentare zu „The Few and Cursed

  • 05/01/2021 um 15:06 Uhr
    Permalink

    @ Michael, in diesem Fall steckt die FAQ selbst direkt in der Anleitung. Ich habe in der Rezi aber versucht, die unklarsten Punkte zu erklären und zu ergänzen. Vielleicht bekommst Du es damit hin.

  • 02/01/2021 um 11:14 Uhr
    Permalink

    Vielen Dank für die ausführliche Rezension. Hast du eine Liste mit den FAQs etc?

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