Des Steinfressers Paradies

easter-islandDie Osterinsel und ihre riesigen Steinstatuen, die sogenannten Moai, sollten jedem bekannt sein. Doch kaum einer weiß, dass diese Statuen von Zauberern genutzt wurden, um die Moais anderer in einem Spiel der Macht zu zerstören. Nun, solange sie ihre Moais nicht auf meinem Fuß absetzen, soll es mir recht sein.

So zumindest soll es laut dem Spiel „Easter Island“ vom – zumindest in Deutschland eher unbekannten – Verlag Twilight Creations Inc., gewesen sein. Mit Easter Island liegt uns im Grunde genommen ein abstraktes Spiel für genau 2 Spieler vor. „Im Grunde genommen“, weil sich dieses Spiel zwar abstrakt spielt, aber die Aufmachung einen Schritt davon weggeht.

Also los, setzt eure Spitzhüte auf, klebt eure Saruman-Bärte in euer Gesicht und lasst uns ein paar Steinhaufen durch die Gegend schieben, nichts leichter als das!

Grimmige Blicke für die Ewigkeit

Jeder Spieler bekommt sieben Moais sowie acht Sonnenmarker seiner Farbe. Anschließend werden reihum jeweils vier Moais auf das Spielbrett gesetzt. Schon beim Aufbau sollte auf die Blickrichtung der Moais geachtet werden, da diese enorm wichtig ist. Ja, der grimmige Blick der Moais hat einen tieferen Grund, wartet nur ab!

Von nun an darf jeder Spieler zwei von fünf möglichen Aktionen ausführen, bevor der Nächste an die Reihe kommt und seinerseits zwei Aktionen ausführen darf. So geht es dann bis zum Spielende weiter.

Die fünf möglichen Aktionen sind:

  • Die Blickrichtung eines eigenen Moai verändern
  • Einen weiteren eigenen Moai aus dem Vorrat ins Spiel bringen
  • Einen eigenen Moai in eine beliebige Richtung bewegen
  • Einen eigenen Sonnen-Marker platzieren
  • Einen eigenen Sonnen-Marker nutzen, der nicht erst in dieser Runde platziert wurde

Wie genau das Ganze funktioniert und wieso man das alles überhaupt mitmacht, werde ich hier und jetzt, ganz aktuell von der Osterinsel, im Schatten eines Moai, erklären.

Allgemein gilt, dass jeder nur seine eigenen Moais und Sonnen-Marker nutzen kann. Dabei dürfen beide Aktionen beliebig verteilt werden, also auch zwei mal dieselbe Aktion.

Im Spiel gibt es vier Richtungen, immer den Linien entlang. Wer also meint, dass er seine Moais schräg aufstellen darf, hat wohl noch nie einen solchen für ein paar Tage auf seinem Fuß geparkt bekommen?! Da nur die komischsten Leute auf so was stehen (dieser Wortwitz!), gehen wir mal davon aus, dass ihr es richtig macht und die Moais so stellt, dass der Rücken immer parallel zu einer der Linien steht. Somit sollte dann auch klar sein, dass mit der ersten oben genannten Aktion einfach die Blickrichtung in eine der vier möglichen Richtungen geändert wird.

Auf die Füße und los!

Mit der zweiten Aktion darf ein weiterer Moai aus dem Vorrat auf ein freies Feld ins Spiel gebracht werden. Auch hier muss natürlich wieder auf die Ausrichtung geachtet werden, andernfalls gilt „Moai à Fuß“, überlegt es euch.

Die dritte Aktion erlaubt das Bewegen eines Moai, der dabei beliebig weit entlang einer Linie gezogen werden darf. Eine Richtungsänderung wie auch das Überspringen oder Verdrängen anderer Moais ist nicht erlaubt. Es darf also nur über leere Felder gezogen werden. Ebenso muss die Bewegung auf einem solchem Feld enden.

Das Antlitz des Todes

easter_island_openNun kommen wir endlich zum spannenden und alles erklärenden Element des Spiels, nämlich dem Nutzen der Sonnen-Marker, mit denen wir die Moais des Gegners zerstören. *whahaha!*

Fangen wir langsam an und erklären erst einmal wie und wo ein Sonnen-Marker überhaupt platziert werden darf. Wer sich das Spielbrett mal angeschaut hat, wird sicherlich schon erahnen, wo man die Marker platziert. Genau, die äußersten, etwas abgelegenen Punkte mit den Pfeilen hatten bisher noch keine Bedeutung, doch das ändert sich jetzt.

Die Aktion selbst ist denkbar einfach. Der Marker wird mit der Sonnenseite nach unten auf einen der 20 Punkte gelegt, sofern dieser noch frei ist, denn auf jedem dieser 20 Punkte darf immer nur ein Marker liegen, wobei diese, einmal gelegt, bis zum Spielende dort verbleiben.

Darth Moai und die Macht der Zerstörung

So, jetzt dürft ihr eurem Hass freien Lauf lassen und zur dunklen Seite der Moais übergehen, das ist es doch worauf ihr die ganze Zeit gewartet habt!

Mit der fünften und somit letzten möglichen Aktion darf ein (eigener) Sonnen-Marker umgedreht werden. Somit wird ein Sonnenstrahl (für die Destruktiven unter uns, Todesstrahl) in Pfeilrichtung losgeschickt. Jetzt kommt der Clou des Spiels zum Vorschein, da es mehrere mögliche Auswirkungen geben kann, je nachdem auf welcher Seite der Sonnenstrahl einen Moai trifft.

Doch zunächst gibt es dabei zwei wichtige Regeln zu beachten: Zum einen darf kein Sonnen-Marker genutzt werden, der unmittelbar vorher gelegt wurde. Zum anderen darf kein unmittelbar vorher platzierter Moai involviert sein. Diese beiden, sehr wichtigen Regeln, verhindern die sofortige Nutzung der Sonnen-Marker und lässt das Spiel zu einem Strategie- und Taktikmix mit enormer Tiefe werden.

Zurück zum Todes Sonnenstrahl.

Ein solcher wird immer in gerader Linie, entlang dem Pfeil, geschickt.

moaiWird ein Moai in den Rücken oder der Front getroffen, gilt er als zerstört und wird aus dem Spiel genommen (er wird nicht zurück in den Vorrat des entsprechenden Spielers gelegt). Trifft der Sonnenstrahl eine der Seiten des Moai, so passiert ihm erst mal nichts, da der Sonnenstrahl von ihm reflektiert und in Blickrichtung weitergeleitet wird. Wird ein Moai zum zweiten mal vom gleichen Sonnenstrahl getroffen, gilt er als zerstört. In dem Fall ist es egal von welcher Seite er getroffen wird. Ebenso ist es möglich, dass der Sonnenstrahl, nachdem er reflektiert wurde, keinen weiteren Moai mehr trifft und das Spielbrett verlässt. In diesem Fall wird der Moai, der den Sonnenstrahl zuletzt reflektiert hat, zerstört. Dies ist zugleich der häufigste Todesstoß für unsere geliebten Steinhäufchen.

Ein Sonnenstrahl gilt erst dann als abgehandelt, wenn er entweder einen Moai zerstört hat, oder den Spielplan verlässt, ohne einen Moai getroffen zu haben. Wem jetzt nicht klar ist, dass letzteres eigentlich nie passiert, der wird wohl sehr bald einen Moai auf seinem Fuß begrüßen dürfen.

Somit hätten wir dann auch geklärt, wieso die Blickrichtung der Moais enorm wichtig ist. Es kann und wird durchaus vorkommen, dass ein Sonnenstrahl mehrmals reflektiert wird, bis er einen Moai letztendlich zerstört – sei es nun durch einen direkten oder mehrmaligen Treffer oder einfach nur dadurch dass der Sonnenstrahl durch eine Reflektion das Spiel verlässt (denn dann wird ja der zuletzt getroffene Moai zerstört).

Bleibt nur noch die Frage, wie man das Spiel denn überhaupt gewinnt. Nun, es gibt zwar keinen Gewinner, aber dafür einen Verlierer, nämlich derjenige, der nur noch einen einzigen Moai auf der Insel hat (egal wie viele er noch im Vorrat hat). Dieser darf nämlich alle Steine aufsammeln und zu neuen Moais zusammensetzen, damit die nächste Runde gestartet werden kann.

Fazit

Für mich und viele andere bleibt es ein Rätsel, wieso dieses (sehr gute) Spiel so unbekannt geblieben ist. Sicher, abstrakte Spiele sind nicht jedermanns Sache, doch zum einen sollte es Leuten, die abstrakte Spiele mögen, gefallen und zum anderen ist die Aufmachung eben nicht abstrakt und somit für andere Spieler vielleicht etwas zugänglicher als ein Spiel „ohne“ Grafik.

Ich halte es für ein sehr gelungenes Spiel mit einer sehr schicken Aufmachung. Es wurden zwar nur „kleine“ 5 cm hohe Gummi-Moais, welche zudem keine schlimmeren Abdrücke auf dem Fuß hinterlassen, beigepackt, aber dafür muss kein Urlaub auf der Oster-Insel gemacht werden, um dieses geniale Spiel zu spielen. Ich kann es jedem empfehlen, der abstrakte Spiele mag oder zumindest keine strikte Ablehnung gegen solche hat. Die Belohnung ist ein sehr komplexes Spiel mit einem gelungenen Mechanismus, bei dem aufgrund der Reflektionen und der platzierten Sonnen-Marker auf vieles geachtet werden muss. Easter Island braucht sich keineswegs hinter den bekannteren Spielen seiner Art zu verstecken, eher stellt es einige dieser in den Schatten, zur dunklen Seite.

Erscheinungsjahr: 2006
Verlag: Twilight Creations Inc.
Autoren: Roberto Fraga & Odet L’Homer
Ilustration: Kurt Miller
Spielerzahl: 2
Alter: 8+

Dauer: ca. 30 Minuten

Easter Island
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Ein Kommentar zu „Easter Island

  • 28/11/2010 um 23:53 Uhr
    Permalink

    Wow, das ist ja mal nen geniales Review, wer hat das denn geschrieben?! 😛

    Ne im Ernst, das ist mein erstes Review ever, jede Kritik (oder Lob *hust*) ist Wilkommen!

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