Ein komplexes Spiel mit einfachen Regeln. So lässt sich kurz das Spiel BRASS Birmingham zusammenfassen. Das Spiel stammt vom bekannten Autor Martin Wallace und lässt uns in die industrielle Revolution in Großbritannien ab 1770 eintauchen.

Jeder Spieler möchte ein mächtiges Wirtschaftsimperium durch geschicktes Verlegen von Verbindungswegen und Errichten von Industriegebäuden aufbauen. Jeder von max. 4 Spielern verfügt ein Kartendeck, das Ausspielen von Karten löst Aktionen aus. Das Spiel ist in zwei Epochen (Kanal- & Eisenbahnepoche) unterteilt, die einzeln gewertet werden. Nach Auswertung der Kanalepoche heißt es zurück auf los, jeder Spieler fängt mehr oder weniger wieder bei null an.

Optisch ist das Spiel sehr ansprechend, sowohl die Karten als auch Spielertableaus übezeugen und schaffen eine tolle Atmosphäre. Auf dem Spielplan sind Orten abgebildet, die untereinander per Schiff oder Eisenbahn verbunden werden können. In jedem Ort ist es möglich vorgegebene Industriegebäude zu errichten. Das Errichten an sich bringt keine Punkte, sondern weitere Aktionen werden benötigt, um Punkte zu erzielen. Und dabei helfen die Mitspieler tatkräftig.

In jeder Runde spielt jeder Spieler zwei Karten vom eigenen Deck aus. Wenn alle Karten ausgespielt wurden ist eine Epoche zu Ende. Im Kartendeck sind Orts- und Industriekarten enthalten und es stehen 6 Aktionen zur Verfügung: Bauen, Verbinden, Entwickeln, Verkaufen, Kredit aufnehmen und Erkunden.

 

Beim Bauen darf mit der Ortskarte der Spieler im besagten Ort ein freies Industriegebäude (kostet Geld und ggf. Ressourcen) errichten, alternativ kann eine Industriekarte ausgespielt werden, um besagtes Industriegebäude in einem Ort des eigenen Netzwerks zu errichten. Zur Wahl stehen sechs Gebäudetypen: Fabriken, Baumwollspinnereien, Brauereien, Töpfereien, Eisenhütten und Kohlebergwerke. Eisenhütten, Kohlebergwerke und Brauerien produzieren sofort mit dem Errichten Ressourcen.

Sobald diese Ressourcen verbraucht sind (alle Mitspieler haben unter Beachtung ressourcenspezifischer Regeln Zugriff darauf) bringt das Gebäude Punkte und Einkommen. Punkte werden bei der Epochenauswertung berücksichtigt, das Einkommen ändert sich sofort. Die anderen Gebäude müssen verkauft werden, um Punkte und Einkommen zu erzielen. Und der Verkauf ist erst möglich, wenn eine Verbindung zu einem der passenden Marktplätze vorhanden ist. Somit muss jeder Spieler sich ein bisschen den Kopf zerbrechen und gut überlegen wie er vorgeht: Ressourcen generieren, die von Mitspielern abgeschöpft werden (bringt zwar Punkte aber vielleicht wollte der Spieler auch selber von den Ressourcen profitieren) oder lieber ein effizientes Wegenetz errichten?

Beim Verbinden wird eine beliebige Karte ausgespielt, um das eigene Wegenetz zu erweitern (gegen Geld und ggf. Ressourcen). Auch hier ist vorausschauendes Denken erforderlich. Zwischen zwei Orten kann nur eine Verbindung gebaut werden und die Mitspieler können durchaus selber daran interessiert sein das Verbindungsstück zu errichten. Denn am Ende jeder Epoche bringen die Verbindungen ebenfalls Punkte, abhängig von den errichteten Gebäuden.

Beim Entwickeln wird ebenfalls eine beliebige Karte ausgespielt. Die Aktion wird ab und zu benötigt, da jeder Spieler über viele Gebäude verfügt und es nicht möglich ist, alle zu bauen. Die Herausforderung dabei: Je Gebäudetyp gibt es verschiedene Stufen, Gebäude einer höheren Stufe bringen tendenziell mehr Punkte und Einkommen als welche einer niedrigen Stufe. Und der erfahrene Vielspieler ahnt schon: zuerst muss das Gebäude der niedrigsten Stufe errichtet werden. Mit der Entwickeln-Aktion kommt der Spieler schneller an Gebäude der höheren Stufen, weil er Gebäude von seinem Tableau entfernen kann.

Wie so oft ist Geldmangel ein Problem bei Wirtschaftsspielen. Um Einkommensengpässe zu lindern, kann durch Ausspielen einer beliebigen Karte Geld vom allgemein Vorrat genommen werden, wirkt sich natürlich negativ auf das Rundeneinkommen.

Die letzte Aktion Erkunden kann gespielt werden, wenn der Spieler der Meinung ist nicht die richtigen Orts- und Industriekarten auf der Hand zu haben. Karten abwerfen und Jokerkarten aufnehmen, die es dann ermöglichen an einem beliebigen Ort oder eine beliebige Industrie zu bauen.

BRASS Birmingham ist ein wirklich tolles Spiel mit viel Spieltiefe. Die Möglichkeiten Punkte zu erzielen sind sehr vielfältig. So kann in jeder Partie eine andere Taktik ausprobiert werden, den Königsweg zum Sieg gibt es nicht. Was auf dem ersten Blick harmlos aussieht, kann bei konsequenter Spielweise viele Punkte bringen.

Eine kleine Schwäche hat das Spiel: am Ende jeder Runde (wenn jeder Spieler zwei Karten ausgespielt hat), wird die Reihenfolge neu bestimmt. Wer das wenigste Geld ausgegeben hat, kommt zuerst ran. Dieses Geldzählen ist nicht optimal gelöst, schade, dass hierfür keine eigene Leiste zur Verfügung steht.

Weiterer Kritikpunkt (und es lässt sich darüber streiten, ob dies überhaupt ein Kritikpunkt ist) ist die Spieldauer. Angegeben sind 60 bis 120 Minuten (bei 2 bis 4 Spielern). Alle gespielten Partien haben deutlich länger gedauert, ohne dass das Spiel als langatmig empfunden wurde. Klar, kann jeder Spieler sich schon Gedanken über seine Züge machen, wenn die anderen dran sind. Aber es ist ein Gegeneinander und wenn der Mitspieler ein Gebäude in der Stadt meiner Wahl baut, dann muss halt umgeplant werden. Und dies kostet Zeit, die 64 Orts- und Industriekarten werden nämlich zweimal ausgespielt 🙂

Das Spiel ist eine klare Empfehlung an Vielspieler mit Experten-/ Kennerspielererfahrung. Es überzeugt auf ganzer Linie.
BRASS Birmingham lag uns als sprachneutrale Version mit englischer Anleitung vor. Zur Spiel Digital 2020 ist die deutsche Version beim Verlag Giant Roc erschienen. Also nicht zögern!

Brass Birmingham
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