Es gibt Spiele, die schaffen es schon in den ersten Minuten, neugierig zu machen – ohne Vorgeschichte, ohne Kultstatus, einfach nur durch ihre Idee. Mü & mehr gehört in diese Kategorie. Die hier vorliegende Version ist eine Neuauflage eines Klassikers.

Mü & mehr kombiniert dabei ein Stichspiel mit einem taktischen Biet- und Teamfindungssystem. Schon nach ein paar Runden merkt man, wie viel Spaß es macht, die eigenen Karten clever auszulegen, Verbündete zu finden – oder eben bewusst nicht – und dennoch nie ganz sicher zu sein, ob der eigene Plan aufgeht.

Was steckt drin

In der Schachtel von Mü & mehr (Neuauflage) befindet sich unter anderem:

  • Karten: 60 Karten in fünf Farben (0 bis 9, plus doppelte 1 und 7)
  • Marker-Plättchen: Anzeiger für Trumpf, Krone und Schild
  • Gebotsmarker: je nach Spieleranzahl in einer anderen Farbe
  • Regelheft und QR-Codes: ein Wertungsbogen gibt es nur Online

Das Material hebt sich dabei besonders durch seine Klarheit und Haptik hervor. Auch wird der Stil des Klassikers gut wiedergegeben, ist jedoch optisch aufgewertet.

Spielvorbereitung und Spielverlauf

Bevor es losgehen kann, müssen alle Karten gemischt und gleichmäßig an alle Spieler verteilt werden. Auch werden die Anzeige und alle Trumpf- und Schildmarker gut sichtbar in die Tischmitte platziert. Nun kann es eigentlich schon losgehen.

Der Spielablauf von Mü & mehr gliedert sich in sich wiederholende Runden mit typischen Phasen, die aus der klassischen Version bekannt sind, aber durch die Neuauflage leicht abgewandelt werden.

Jeder Spieler legt reihum eine beliebige Anzahl seiner Handkarten offen aus. Man kann auch darauf verzichten und später noch „nachlegen“. Wer die meisten Karten ausgespielt hat, erhält die Krone, der mit den zweitmeisten Karten das Schild. Nun können auch noch Karten nachgelegt werden, bis jeder gepasst hat und das Endergebnis feststeht.
Die beiden Spieler mit Krone und Schild zählen ihre ausgelegten Karten und legen den passenden Gebotsmarker in die jeweilige Anzeige. Dadurch wird auch automatisch das Punkteziel bestimmt, was für alle gut sichtbar angezeigt wird.

Im nächsten Schritt wählen Krone und Schild ihre Trümpfe. Es dürfen nur Farben oder Zahlen als Trumpf gewählt werden, die in der eigenen Auslage liegen. Das macht es schwieriger und spannend zugleich, da man bei einer zu kleinen Auswahl weniger Möglichkeiten besitzt. Der Schild-Spieler dabei wählt zuerst den kleinen Trumpf (z.B. die Zahl 5), gefolgt vom Kronen-Spieler, der den großen Trumpf bestimmt (z.B. die Farbe Gelb).

Es ist zudem auch möglich keinen Trumpf zu wählen. Das macht besonders Sinn, wenn man viele hohe, aber verschieden farbige Karten besitzt. Zusammen bilden der kleine und große Trumpf den sogenannten Supertrumpf (im Beispiel eine gelbe 5), welcher alles schlägt. Auch dies wird übersichtlich mit Hilfe der Anzeiger dargestellt.

Nun kommt die wohl schwierigste Phase, die Teambildung. Der Krone-Spieler muss aus den restlichen Spielern eine Person wählen, mit die er zusammenspielen möchte. Alle anderen Spieler sind im Team Schild.

Nun beginnt die eigentliche Stichphase, bei der die Auslage jeden Spielers aus den Handkarten und den davor ausgelegten (Biet-) Karten besteht. Beginnend beim Krone-Spieler (bzw. Gewinner des letzten Stichs) wird reihum eine Karte in der zuerst angespielten Farbe gespielt. Trumpfkarten müssen dabei, wenn möglich, bedient werden. Wer die höchste Karte gespielt hat, gewinnt den Stich und nimmt die Karten zu sich.

Spielende

Nachdem alle Spieler alle ihre Karten gespielt haben, endet das Stichspiel mit einer Wertung. Die Punktevergabe ist etwas komplizierter, weshalb sich der Verlag entschieden hat, diese entweder digital (per QR-Code) oder mit einem Wertungsblock zu bestimmen. Dieser liegt jedoch nicht dabei und muss separat ausgedruckt werden!

Am Ende wird geschaut, ob das Team Krone die erforderliche Anzahl an Punkten (je nach Karte sind 0 bis 2 Punkte auf der oberen linken Ecke aufgedruckt) erreicht hat. Wenn ja, hat Team Krone gewonnen und erhält die berechnete Punktzahl. Wenn nicht, hat Team Schild gewonnen. Es gibt sowohl Punkte in der Einzelwertung, also auch in der Teamwertung. Eine Partie endet nach 3 – 4 Runden und am Ende gewinnt der Spieler mit den meisten Gesamtpunkten.

Fazit

Gleich vorweg: Als das Original Mü & mehr 1995 erschienen ist, war ich selbst noch im Kindergarten und konnte nicht einmal lesen. Eine nostalgische Rückschau kann ich euch also nicht bieten – wohl aber meine Eindrücke von der Neuauflage.

Auf den ersten Blick wirkt Mü & mehr wie ein ganz gewöhnliches Stichspiel. Doch spätestens nach der ersten Partie wird klar, dass hier deutlich mehr dahintersteckt. Der ungewöhnliche Mix aus Auktion, Teambildung und anschließender Stichphase greift so eng ineinander, dass man für die ersten Partien durchaus ein bisschen Geduld mitbringen sollte.

Bei uns lief anfangs längst nicht alles rund: Entweder hatte man sich beim Auslegen der Karten völlig überschätzt oder man landete notgedrungen im Team der Krone, obwohl man dafür – sagen wir – nicht unbedingt die passendsten Karten auf der Hand hatte. Und da man die Partnerwahl nicht ablehnen kann, fühlt man sich in solchen Momenten schnell etwas ausgeliefert. Es dauert schlicht ein paar Runden, bis man versteht, wie viel Einfluss die eigene Auslage wirklich hat und wie man sie sinnvoll einsetzt.

Das anschließende Stichspiel folgt zwar im Kern den bekannten Regeln eines klassischen Stichspiels, bringt aber eine spannende Besonderheit mit: Es gibt nicht nur einen Trumpf, sondern meistens gleich drei. Das sorgt für überraschende Wendungen und macht die Wahl der Trümpfe durch Krone und Schild enorm bedeutsam. Kurzum: Mü & mehr ist ein Spiel mit einer langsam ansteigenden Lernkurve, das man nicht nach einer einzigen Partie beurteilen sollte. Wer ihm aber die nötige Zeit gibt, wird nach und nach entdecken, wie viel taktisches Potenzial darin steckt.

Ein Blick auf das Spielmaterial lohnt sich ebenfalls. Verglichen mit dem Klassiker ist die Neuauflage vor allem in Sachen Übersichtlichkeit ein echter Fortschritt. Die neuen Anzeigen zeigen auf einen Blick, welche Karten Trumpf sind und wie viele Punkte das Krone-Team erreichen muss. Auch die Farbwahl der Marker und Karten ist gut gelungen und erleichtert den Überblick erheblich. Einzig die Punktanzeige – gemeint sind die kleinen Kreise am Kartenrand, nicht die Zahlenwerte – fanden wir oft schwer zu erkennen. Hier hätte eine klarere Gestaltung dem Spiel gutgetan.

Kommen wir zum größten Kritikpunkt: Es liegt kein Wertungsbogen bei. Ich verstehe, dass die Punktermittlung etwas umfangreicher ist, aber gerade deshalb hätte ich mir einen gedruckten Block gewünscht. Ja, so etwas kostet etwas mehr – aber für mich gehört das einfach dazu, Punkt! Immerhin gibt es den Bogen online zum Download, was den Schmerz etwas lindert.

Sehr gelungen finde ich hingegen die Online-Punktezählung, die uns wirklich Arbeit abnimmt. Gerade weil kein Wertungsblock beiliegt, würde ich sogar empfehlen, die Wertung komplett digital durchzuführen – das ist deutlich komfortabler, als ständig Ausdrucke in die Schachtel zu stopfen. Erwähnenswert ist auch, dass einige Spielvarianten ausschließlich online verfügbar sind. Auch hier hätte ich eine ausgedruckte Ergänzung in der Anleitung bevorzugt.

Da wir einige Anläufe gebraucht haben, um wirklich warm mit dem Spiel zu werden, sehe ich die Angabe „ab 10 Jahren“ eher kritisch. Meiner Einschätzung nach passt eine Empfehlung ab 14 Jahren deutlich besser. Auch die angegebene Spielerzahl von 3 bis 6 Spielern ist aus meiner Sicht nicht ganz optimal. Bei drei Personen sitzt die übriggebliebene Person automatisch im Team der Krone, was man zwar clever ausnutzen kann, aber nicht immer ideal ist. Wir fanden Runden zu viert oder fünft deutlich harmonischer und abwechslungsreicher.

Für wen eignet sich Mü & mehr?
Für alle, die Lust auf ein anspruchsvolles Stichspiel mit echter Tiefe haben. Wer gern tüftelt, plant und bereit ist, ein wenig Zeit in das Verständnis des Systems zu investieren, wird hier bestens bedient. Neueinsteigern ins Genre würde ich es jedoch nicht empfehlen – die Einstiegshürde ist schlicht zu hoch, um sofort unbeschwert loszuspielen.

Name: Mü & mehr
Erscheinungsjahr: 1995 
Neuauflage: 2024
Spieler: 3 – 6
Alter: ab 10 Jahren
Dauer: ab 20 min
Autor(en): Frank Nestel        
Verlag: Heidelbär Games

Mü & mehr
Markiert in:                 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Mit der Nutzung dieses Formulars erklärst Du Dich mit der Speicherung und Verarbeitung deiner personenbezogenen  Daten (z.B der IP- Adresse) durch diese Website einverstanden.