Die Digitalisierung ist auf dem Vormarsch, auch bei Brettspielen. Seit einigen Jahren gibt es immer wieder mehr oder weniger erfolgreiche Versuche, Teile des Spiels von einer App übernehmen zu lassen.  Die Palette reicht hier von einfachen Zeitmessern bis hin zur gesamten Story-Steuerung via App.

Diese so genannten „Hybridspiele“  veranschaulichen somit die Bandbreite, in der sich digitale Elemente in ein Brett- oder Kartenspiel einbauen lassen können. Und die ist tatsächlich sehr vielfältig. Im Kartenspiel Lost Galaxy zum Beispiel steuert nicht nur eine App das Spiel, sondern das Smartphone wird auch als Auslage auf dem Spieltisch verwendet.

In Lost Galaxy ist der Weltraum das Thema. Die Spieler sollen in einer festgelegten Zeit Planeten erobern und diese mit Raumschiffen evakuieren. Das Spielprinzip ähnelt dabei einer schnellen Patience: Lege Karten mit Zahlen von 1 bis 4 auf einen Stapel und schließe mit einer Raumschiffkarte ab, um den Stapel als Stich zu erhalten.

Als zusätzliches Element dienen Aktionskarten mit “UNO” – Funktionen. “Entferne eine Karte vom Stapel x” oder “verhindere, dass Karte X  entfernt wird”, Sogar das uralte, aber eigentlich harmlose “Spieler setzt eine Runde aus” erhält eine Reunion.

Die App steuert das Spiel und dient als Zeitmesser. Das Spiel endet, wenn der dargestellte, mit einer futuristischen Musik unterlegte, animierte Planet in sich selbst implodiert ist.  Innerhalb Laufzeit der App kann es  zu Ereignissen kommen. Bei  einer „Sonnenfinsternis“ kann der aktive Spieler in dieser Runde keine Planeten auslösen. Fliegt ein Satellit vorbei, darf der Spieler mit Klick auf die korrespondierende Farbe zwei Karten ziehen.

Die App enthält ein Einstiegs – Tutorial und erklärt anschaulich den Spielaufbau und Ablauf. Allerdings fehlen in der vorliegenden Version wichtige Regeldetails zum Nachschlagen. Eine Pausentaste gibt es, aber trotzdem sind keine Regeldetails zu finden. Eine Offline – Regel fehlt leider gänzlich. Da das Spiel fast ausschließlich Icon-Symbolik verwendet, kann man diese nicht nachschlagen. Der Verlag hat aber hier inzwischen in Form eines App- Updates nachgebessert.

Kommen wir zum Spielreiz: Das Kartenspiel ist einfach gehalten und einigermaßen unspannend. Die App versüßt es etwas, ohne aber einen entscheidenden Spielerlebnis – Impuls zu geben. Wir spielen also stoisch Karten vom 1-4 auf einen Stapel, um danach mit der Raumschiffkarte zu ernten. Man dürfte ja auch rückwärts spielen, aber das wird gerne vergessen, wenn die Aussicht auf den Stich besteht. Da gegnerische Karten im eigenen Stich am Ende für den Gegner zählen, macht es Sinn, diese möglichst abzuwerfen, wenn man sie gehäuft auf der Hand hält.

Das Spielen auf Zeit passt nicht mit der Spielmechanik zusammen, da nicht alle Spieler gleichzeitig spielen.  Hier wäre eine Messung aller einzelnen Spieler empfehlenswert, etwa wie es Schachuhren beim Schach tun.

Eine Design- Ungenauigkeit gibt es bei der Farbgebung der Karten. Sowohl die neutralen Raumschiffkarten als auch die Sonderkarten haben denselben Farbton wie die Spielerfarbe Blau. Gefühlt sind daher im Spiel immer viel mehr blaue Karten in der Wertung. Hier wäre eine klare farbliche Abgrenzung besser gewesen, zumal die Farben beim Spielen auf Zeit den ersten und schnellsten Impuls geben, um zu beurteilen, welcher Spieler gerade im Vorteil ist.

Mir ist die Möglichkeit, den Spiel- und Punkteverlauf zu beeinflussen, einfach zu gering. Es liegt so gut wie kein Unterschied darin, wer einen Stapel mit dem Raumschiff aufgelöst hat. Mit Ausnahme einer bestimmten Aktionskarte kann man einen Stapel voll mit gegnerischen Karten nicht beeinflussen.

Möglicherweise hätte mehr Anreiz geschaffen werden können, wenn es für die Karten des Gegners im eigenen Stapel eine andere Wertung gegeben hätte. Dann wäre die Motivation höher, den eigenen Stapel auch zu beenden, um maximal zu punkten. So lange alle Farben in allen Stichs zählen, kann ich mit minimalem Risiko abwarten, bis mein Zielstapel von irgendwem ausgelöst wird.

Wünschenswert wäre ein wenig mehr Konsequenz aus dem eigenen Aktionen. So ist die Entscheidung meist: lege ich Karten an, weil ich damit mehr Punkte mache, als ich dem Gegner schenke oder tausche ich alle Handkarten und hoffe, dass ich mehr von meinen eigenen ziehe.

Solange das Spiel nicht kurz vor dem Ende steht, muss man sich also kaum Sorgen machen. Das „Planet evakuieren“ als Aktion wird außer mit den Punkten für das verwendete Raumschiff zu wenig belohnt.
Man muss sich quasi nur merken, wo die Karten der eigenen Farbe landen und schauen, dass die Stapel evakuiert werden. Wenn das jemand anders macht, ist das genauso gut.

Fazit

Lost Galaxy kann sein nicht unattraktives äußeres Erscheinungsbild nicht mit inneren Werten ausschmücken. Das Thema Weltraum ist cool, passt aber überhaupt nicht zum hier präsentierten Spielprinzip. Das etwas einfältige patienceartige Stichspiel wird dadurch nicht besser.

Die App jedoch ist wirklich gut gelungen. Sie erklärt das Spiel sehr gut in einzelnen, nachvollziehbaren Schritten. Auch das gesamte Appdesign ist gut abgestimmt und funktioniert flüssig und fehlerfrei. Hier hat der Verlag, der seine Wurzeln bei digitalen Spielen hat, seine Kompetenzen gut ausgespielt. Die erforderliche Registrierung sollte man aber nicht gleich am Anfang erzwingen, sondern im Sinne der Datensparsamkeit erst später und freiwillig anbieten, wenn es darum geht, Spielstatistiken mitzuführen.

Lost Galaxy
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