nationsDie Entwicklung der Menschheit in einem Brettspiel zusammenzufassen, ist eine ambitionierte Aufgabe, wenn die Spielzeit dabei nicht ins Unendliche gehen soll. In einem anderen Artikel haben wir über die gegenseitige Inspiration des Computerspiels “Civilization” mit den verschiedenen gleichnamigen Brettspiel berichtet. Das erste Civilisation – Brettspiel erforderte damals eine Spielzeit von mindestens 8 Stunden.

Nations holt sich seine Inspiration aus dem Spiel “Im Wandel der Zeiten” von Vlaada Chvatil. Wir spielen uns durch verschiedene Zeitalter, um deren bahnbrechende Erfindungen, monumentalen Bauwerke sowie berühmte Personen, Länder, Schlachten und Kriege zu erleben und zu beeinflussen.

Das Regelwerk von Nations ist erfreulich überschaubar. Jeder Spieler erhält eine Spielertafel mit Auslagen für Zivilisationskarten der unterschiedichen Formate. Es gibt Gebäude, militärische Einheiten,  Weltwunder, Kolonien und Berater. Einige Gebäude und eine militärische Einheit sind bereits fest auf die Spielvorlage, von der es eine einfachere A-Seite und eine schwierigere B-Seite gibt, aufgedruckt. Zudem können die Spieler weitere Zivilisationskarten in der zentralen Auslage kaufen und diese sofort aktivieren, um einen Krieg auszulösen, eine Schlacht zu schlagen oder Erfindungen zu machen, um wichtige Ressourcen zu erhalten.

DSCF0332Werden Gebäude oder Einheiten gekauft, müssen diese in der eigenen Auslage mit einem Arbeiter aus der Bevölkerung belegt werden. Ab diesem Zeitpunkt sind die Karten aktiv und erzeugen Rohstoffe oder militärische Stärke, die zum Teil auch Betriebskosten beinhaltet. Zusätzlich erworbene Wunder, Kolonien oder Berater wirken sofort und benötigen in der Regel keine weiteren Arbeiter.

Das Spiel läuft in drei Phasen ab, die in jedem der 8 Runden, zwei pro Zeitalter, einmal durchlaufen werden. In der ersten Phase werden die Bedingungen und Ressourcen für die Spielrunde festgelegt. Die Zivilisationskarten für die aktuelle Runde werden ausgelegt, die am Schluss der Runde eintretenden Ereignisse werden bekannt gegeben und die Bevölkerungsgröße der Spieler wird angepasst. Zudem wird festgelegt, wie viele Architekten für den Bau von Weltwundern bereit stehen. Das sind meist nicht so viele, wie benötigt werden, so dass der Bau eines Weltwunders über mehrere Zeitalter hinweg andauern kann.

Danach darf jeder Spieler gemäß der in diesem Spiel sehr wichtigen Zugreihenfolge so lange Aktionen ausführen, wie er möchte bzw. wie er bezahlen kann. Zur Auswahl stehen dabei der Kauf von Zivilisationskarten, das Entsenden oder Umgruppieren von Arbeitern und das Rekrutieren eines Architekten zum Bau eines Weltwunders. Dies geht so lange, bis alle Spieler gepasst haben.

In der anschliessenden Produktionsphase kommt es zur Auswertung der Spielsituation der einzelnen Spieler. Sie erhalten zunächst gemäss ihres Arbeiter- Einsatzes Gold, Nahrung, Steine und Kulturpunkte. Oft können hier Sonderboni eingeheimst werden, wenn beispielsweise ein Spieler zum Auswertungszeitpunkt die größte politische Stabilität  besitzt, die immer aktuell auf der zugehörigen Machtpunkteleiste angezeigt wird.

Ebenfalls immer sichtbar ist die militärische Stärke. Sollte ein Krieg ausgelöst worden sein, wird jetzt die Stärke des Krieges mit der aktuellen Stärke der Spieler verglichen. Alle Spieler, die hier nicht stark genug sind, erleiden eine Niederlage und verlieren Ressourcen gemäss der Karteninfo des aktuellen Krieges. Echte Kampfhandlungen oder Konflikte werden bei Nations nicht ausgespielt, der Krieg wird lediglich als historisches Ereignis ausgewertet.

Am Ende jeden Zeitalters, also in jeder zweiten Runde wird zudem die Kulturleiste abgeglichen. Wer hier vorne ist, bekommt nun einen Siegpunkt für jeden hinter ihm liegenden Spieler. Die gesammelten Punkte auf der Kulturleiste spielen bei Spielende noch einmal eine große Rolle, wenn sie in finale Siegpunkte umgewandelt werden.

Mit dieser kompakten Beschreibung des Spielablaufs ist zwar erklärt, wie Nations zu spielen ist, jedoch noch nicht, wie es verläuft. Um in allen Belangen gut entwickelt und wohlhabend zu sein, müssen die Spieler jedes Zeitalter gut planen und richtig interpretieren. Die begrenzt zur Verfügung stehenden Zivilisationskarten erfordern immer auch einen Plan B, da ein Mitspieler eine gewünschte Karte vielleicht vor der Nase weggekauft haben könnte.

Bereits in jeder anfänglichen Wachstums- Phase müssen die Spieler entscheiden, ob sie sich einen Arbeiter aus der Bevölkerung nehmen oder stattdessen  ein Kontingent an Gold, Steinen oder Nahrung in den Vorrat nehmen. Diese Entscheidung wirkt auf unerfahrene Spieler ein wenig belanglos, hat jedoch für den weiteren Spielverlauf eine hohe Bedeutung.

Defensive Spieler werden hier die vermeintlich sichere Variante wählen und die Rohstoffe nehmen, um handlungsfähig zu sein. Wer hingegen einen Arbeiter nimmt, muss diesen versorgen. Entweder erfordert dieser drei Nahrung pro Runde oder die politische Stabilität wird um 3 verringert. Langfristig ist das  Rekrutieren der Arbeiter jedoch sinnvoll, denn die Arbeiter bringen bei Spielende Siegpunkte, wenn sie auf Gebäuden und beim Militär ihren Dienst verrichten.

Werfen wir einen Blick auf die Berater. Diese können durch ihre Sonderfähigkeiten unterstützend wirken, was manchmal an Bedingungen geknüpft ist. Elisabeth schützt einen Spieler beispielsweise vor einem ausbrechenden Krieg,  Bei einigen Beratern hatten wir allerdings regeltechnische Probleme, da die Funktion nicht klar interpretierbar war. Die Spielregel hält zwar einige Erläuterungen zu den Beratern bereit, jedoch nicht zu allen. So war uns bei Peter dem Großen nicht klar, ob seine Fähigkeit, Ressourcen zu erhalten, solange seine Stärke größer als der Krieg ist, auch dann wirkt, wenn kein Krieg aktiv ist.

 

 

Die Regel selbst ist tatsächlich sehr verständlich und gut strukturiert geschrieben. Der Einstieg in Nations ist damit sehr leicht, bis auf eine kleine Ausnahme: Die Arbeiterbewegung. Die Regel unterscheidet hier zwischen “nehmen” und “zurücklegen” und zwischen “einsetzen” und “abziehen”. Diese Wortpaare dürfen keinesfalls durcheinander gebracht werden, denn Ersteres bezieht sich auf die Arbeiter, die zwischen Bevölkerung und Vorrat bewegt werden, Zweiteres jedoch auf die Bewegung zwischen Vorrat und den Gebäuden auf dem Spieler – Tableau. Wenn beim Berater  „Abraham Lincoln“ also steht: “Nimm einen Arbeiter” so ist damit das Rekrutieren aus der Bevölkerung gemeint.

Fazit

Nations Stärken liegen in den vielen kleinen Details und in seiner Langsamkeit: der Politik der kleinen Schritte, die aber langfristige Folgen haben kann. Auch das auf Spieleranzahl und Spielstärke anpassbare Level- System ist eine gute Idee, um das “Gleichgewicht der Kräfte” beizubehalten. Denn dass die vier Zeitalter immer mit idealen Spielverläufen enden, ist eher als utopisch anzusehen.  Wenn ein Zeitalter aufgrund seiner Kartenstruktur katastrophal verläuft, kann sich schon bisweilen ein hoher Frustfaktor beim betroffenen Spieler breit machen. Andererseits kann eine andere Runde durchaus den Durchmarsch an die Spitze bringen.

Aber genau das ist die Herausforderung von Nations, erhöht jedoch auch den “Grübelfaktor”. So ist die angegebene Spielzeit von 40 min pro Spieler ein absolutes Minimum, das bei geübten Spielern in der Standard Version (man kann Karten für Fortgeschrittene und Experten aussortieren) erreicht wird. Eine Spielzeit von gut 4 Stunden sollten man für eine Komplettpartie Nations auf jeden Fall einplanen.

Mit diesen Kriterien ist Nations also klar als anspruchsvolles Expertenspiel einzustufen. Ein “Im Wandel der Zeiten” – Lite sehen wir an dieser Stelle nicht, da es genügend Eigenständigkeit besitzt. Und es ist flexibel nutzbar. Wem die Komplettpartie zu lang ist, der kann, so ein Hinweis in der Anleitung,  auch eine verkürzte Version mit weniger Runden bei gleichem Spielspass spielen. Man kann es sogar in einer 1- Spieler Solitair – Variante spielen. Imaginäre Ressourcen, Hungersnöte und Ereignisse werden dann mit vorgegebenen Karten gesteuert.

Ein Spiel ohne Interaktion ist Nations keinesfalls. Diese ist zwar passiv, hat aber weitreichende Folgen. Die Spieler müssen jederzeit darauf achten, was die Mitspieler vorhaben und können durch ihre Kartenwahl oder Beeinflussung der Militär- und Stabilitätsleiste darauf einwirken. Bei 2 Spielern ist dies allerdings selbstredend weniger bedeutsam als bei 5 Spielern. Eine Partie Nations ist jedoch in jeder Spielerzahl gut investierte Zeit.


Erscheinungsjahr: 2013
Verlag: Asmodee
Autor: Rustan u. Nina Håkansson, Einar u. Robert Rosén
Gestaltung: Ossi Hiekkala, Jere Kasanen, Paul Laane, Frida Lögdberg
Spieler: 1-5
Alter: ab 14 Jahre
Dauer: ca 240 Minuten (Eine Stunde pro Spieler)
Kaufen bei AMAZON: Asmodee 827033 – Lautapelit – Nations, Brettspiel

Nations
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Ein Kommentar zu „Nations

  • 04/02/2015 um 18:55 Uhr
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    Danke euch für die Rezension! Zivilisationsspiele haben schon ihren Reiz.. das von euch erwähnte Civilisation in der klassischen Version habe ich vor einer Ewigkeit mal in größerer Runde gespielt – nach fünf Stunden hat jemand wegen Kopfschmerzen das Handtuch geworfen und wir mussten abbrechen.. das bleibt unvergessen :D.

    Nations hat mich deswegen auch von der ersten Meldung weg fasziniert, aber warum zur Hölle müssen diese Spiele immer so unglaublich schlicht designt sein? Das Auge spielt mit heißt es doch bekanntlich :). Sowohl IwdZ als auch Nations hatte ich deswegen schon unzählige Male in der Hand und hab sie genauso oft wieder weggelegt. Aber wenn ich noch ein paar Kritiken wie eure hier lese, wird es vielleicht eines Tages in der Hand behalten. Mal sehen..

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