Recherchiert man im Internet, was zur größten Herausforderung im 21. Jahrhundert zählt, so stößt man fast augenblicklich auf das zentrale Thema Klima. Spätestens seit die Klimaaktivistin Greta Thunberg mit ihren Schulstreiks und Auftritten für öffentliches Aufsehen sorgte, sollte jedem klar sein: Unser blauer Planet wird immer heißer.

Die Erderwärmung nimmt zu und damit einher folgen unzählige andere Katastrophen. So häufen sich immer stärker werdende Unwetter und viele Menschen wie auch Tiere sind auf der Flucht. Es steht fest, es muss etwas getan werden, wenn wir unseren Planeten retten wollen!

Als Regierungschef reisen Sie nach Kyoto und verhandeln über das neue Klimaschutzprotokoll. Erwartungsgemäß sind die Verhandlungen zäh und nervenaufreibend.

„Und überhaupt: Wieso sollte immer nur meine Nation Geld ausgeben und zurückstecken, es kann doch auch ein anderes Land etwas unternehmen!
Sie zucken auf, als plötzlich einer Ihrer Regierungskollegen den Vorschlag bringt, unser Land könne in der Automobilbranche viele Tonnen CO2 einsparen …

So weit kommt es noch, jetzt soll ich auch noch auf meinen Mini-SUV verzichten, der gerade mal 17 Liter auf 100km verbraucht. Sollen die anderen doch etwas unternehmen, nicht immer nur wir! Dann stirbt halt eine Tierart aus, na und, es gibt schließlich noch mehr. Ein paar Abstriche wird man sicherlich hinnehmen müssen, aber nicht zu viele! Klima ist zwar wichtig, aber wir wollen doch nicht leben wie in der Steinzeit! “

Es liegt an Ihnen und Ihren Mitspielern, ob der blaue Planet untergeht oder doch gerettet wird. Eines steht fest: Nur gemeinsam können Sie die Ziele erreichen. Aber denken Sie daran, am Ende wollen Sie nicht auf Ihren Luxus verzichten.

Was steckt drin

Zentraler Spielplan von Kyoto ist einerseits die kreisrunde Erde, auf der alle Auswirkungen auf die Umwelt (Tiersterben, Erderwärmung, Luftverschmutzung) und die Punkte angezeigt werden und das zentrale Rednerpult. Die Plättchen für Tiersterben und co. besitzen stets eine „gesunde“ Vorderseite und eine Rückseite, die den jeweiligen Schaden anzeigt.

Darüber hinaus gibt es allerlei Spielkarten, beispielsweise für Wohlstand, Studien und verschiedener Agenda. Flaggenmarker zeigen den Spielern an, welches Land vertreten wird. Schlussendlich gibt es noch 63 Eine-Million-Dollar-Scheine, welche die Währung des Spiels repräsentieren.

Spielverlauf

Das Spielmaterial wird gemäß der Anleitung abhängig von der Spieleranzahl verteilt. Zu Beginn wählt jeder Spieler zudem zwei Agendakarten. Diese geben (geheim) an, welche Lobby der Spieler zufrieden stellen muss und wie viele Punkte oder auch Minuspunkte er am Ende des Spiels erhält, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt oder nicht erfüllt sind.

Anfangs geht es unserer Bevölkerung noch prächtig (vorhandene Wohlstandskarten), doch um die Umweltziele erreichen zu können, muss auf den ein oder anderen Luxus verzichtet werden. Was dies bewirkt, zeigt das Reduzierungsziel im oberen Kartenabschnitt an. Entweder kann durch Verzicht eine gewisse Menge CO2 eingespart werden oder es verringert sich eine andere Schadensart.

Das Spiel ist in mehrere Phasen unterteilt:

1) Vergütung für den Vorsitz
Ein Spieler (der Reihe nach) fungiert stets als Vorsitz und darf sich bis zu 2 Mio. Dollar aus dem Umweltfond nehmen und abgelegte Karten aufnehmen.

2) Studienverlesung
Aus zwei Studienkarten wird eine ausgewählt. Die Studienkarten zeigen auf, welche Umweltschäden drohen, wenn nicht die geforderten Bedingungen durch Geld oder Wohlstandskarten erfüllt werden. Die Vorderseite wird laut vorgelesen, wobei das unterste Feld für die Mitspieler verdeckt bleibt. Nur der Vorsitz darf sich dieses Feld ansehen, denn dort können noch 0-2 verborgene Schäden angegeben sein, die bei Nichterfüllung eintreten.

3) Aushandlungsphase
Nun haben alle Spieler 90 Sekunden Zeit, über die Studie zu beratschlagen und zu entscheiden, ob sie diese mit Geld und/oder Wohlstandskarten unterstützen. Was einmal gelegt wurde, kann nicht mehr zurückgenommen werden, es sei denn, man wird durch ein anderes Land bestochen. Bestechungen sind immer verbindlich und man kann dadurch ein Land bitten, Wohlstandskarten zurückzuziehen oder weitere beizusteuern. Beispielsweise möchte man selbst die Agrarlobby unterstützen, doch hat ein anderer Spieler eine Karte gespielt, die der Lobby „nicht gefällt“. Das würde einem später selbst Punktabzug bescheren, so dass ein Bestechungsversuch sinnvoll ist.

4) Auswirkungen
Sobald die Zeit abgelaufen ist, wird geprüft, ob die Bedingungen der Studie erfüllt wurden oder nicht. Falls ja, werden benötigte Karten vom Vorsitz ausgewählt, auf den allgemeinen Ablagestapel platziert und der Vorsitz an den nächsten Spieler weitergegeben.

Sollten die Karte nicht erfüllt sein, dann erhalten alle ihr eingesetzte Geld und Karten zurück und die Auswirkungen der Studienkare werden abgehandelt. Jeder Umweltschaden kann ein maximales Level von 5 (kritischer Wert) erreichen. Sobald ein Wert das kritische Level erreicht hat, endet das Spiel augenblicklich.

Siegbedingung

a) Die Konferenz war erfolgreich. Keine Art von Umweltschaden hat ihren kritischen Wert erreicht und der Studienstapel ist leer. Es gewinnt der Spieler, der die meisten Punkte gesammelt hat, der also am wohlhabendsten ist.

b) Mindestens eine Art von Umweltschaden hat ihren kritischen Wert erreicht. Hierbei wird das Land, dass die meisten Punkte gesammelt hat, vom Sieg ausgeschlossen (dieses Land hat es mit der Gier zu sehr übertrieben). Es gewinnt der Spieler mit den zweitmeisten Punkten.

Punkteverteilung
Für jede Wohlstandskarte im Besitz gibt es 1 Punkt. Auch für Geld gibt es gemäß der Anleitung 0 – 4 Punkte. Schließlich müssen noch die Agendakarten abgehandelt werden. Diese geben standardmäßig meist sofort eine bestimmte Punktzahl, doch für jedes Lobbysymbol im Ablagestapel werden Punkte abgezogen.

Fazit

Für uns ist klar: Das Spielekonzept ist gelungen, aber sicher nichts für jeden. Beim Thema Klima werden sich vermutlich vor allem Leute angesprochen fühlen, die sich für das Thema Umweltschutz begeistern können. Doch um Umweltschutz geht es hier nur indirekt. Im Gegenteil, wenn jeder Spieler nur versuchen würde, die Erde sauber und gesund zu halten, würde das Spiel gar nicht funktionieren. Hat man hingegen Lust „b,öse“ zu sein, und den blauen Planeten gerade so auszubeuten, dass dieser knapp an der Katastrophe vorbeischlittert (das wäre dem eigenen Wohl ja auch abträglich), dann geht das Konzept auf.

Insbesondere wer Spaß an Satire hat, wird an den Illustrationen seine Freude haben. In den Illustrationen besteht quasi alles aus Geld: Egal ob es sich um Kolonnen von LKWs handelt, die riesige Mengen an Geld durch die Gegend fahren oder Treibhäuser in denen Geldpflanzen wachsen. Das klingt zunächst plakativ, aber ist super kreativ umgesetzt, sodass wir uns anfangs mit großer Freude gegenseitig unsere Favoriten gezeigt haben.

Beim Verhandeln und Taktieren sind die Grundregeln nicht schwierig zu lernen, aber Fingerspitzengefühl ist gefragt. Der Grundmechanismus ist gelungen und der Zeitdruck wirkt sich positiv auf die Verhandlungsrunden aus, da man schnellstmöglich zu einer Entscheidung kommen muss.

Komplex wird das Spiel hier durch die zwei möglichen Enden – gemeinsam ist hier jeweils: Die Wirtschaft muss laufen, aber wer zu gierig ist, wird bestraft. Welches Ende eintritt und ob die eigene Taktik am Ende aufgeht, hat man aber nicht alleine in der Hand. Denn schließlich gibt es noch die anderen wetteifernden Nationen mit ihren eigenen Plänen.

So ganz ohne Kooperation … oder besser gesagt Korruption geht es nicht. Will dein Nachbarstaat etwa die falsche Lobby absägen oder weigert sich, Geld zur Verhinderung des Artensterbens dazu zu geben, was für deine Nation wirklich ärgerlich wäre… so bleiben dir zwei Möglichkeiten:

1) Verbale Verhandlung: Ob Versprechungen, Zusicherungen oder Drohungen. Erlaubt ist alles, aber laut Spielregeln sind diese auch verbindlich. Darüber kann man sich gewiss streiten, aber es trägt zum Spielfluss bei.

2) Geldgeschenke erhalten bekanntlich die Freundschaft und wirken vielleicht überzeugender als bloße Worte. Vorausgesetzt, man hat das Geld, denn dieses geht einem schnell aus.

Diese Interaktion macht einen großen Teil der Spieldynamik aus. Für alle, die großen Spaß an verbaler Präsenz haben ist das großartig. Für schüchterne Spieler wird es schwieriger. Insbesondere Spielgruppen mit einerseits sehr schüchternen und andererseits sehr redefreudigen Spielern können wir daher nicht empfehlen. Auch erhöht sich der Spielspaß, wenn möglichst viele Nationen an den Verhandlungen teilnehmen. Wenn möglich, sollte man daher besser ab 4 Personen spielen.

Kyoto wird für Spieler ab 10 Jahren empfohlen. Das ist unserer Meinung nach zu jung, da Kinder noch gar nicht in der Lage sind, die politische Tiefe zu verstehen und auch Verhandlungen / Schlagabtäusche durchzuführen. Sicherlich kann man sie mitspielen lassen, aber das würde nicht den Kern des Spiels ausmachen. Wir empfehlen daher mindestens ein Alter ab 14 Jahren.  Die angegebene Spielzeit von ca. 45 Minuten können wir jedoch bestätigen.

Ein weiterer Faktor, der die Komplexität erhöht, sind die versteckten Agendaziele der Nationen. Stets gibt es eigene Lobbyziele oder jeweils zusätzliche Informationen aus den Studien für die vorsitzende Nation. Ein Hang zum Pokerface ist hier sicher nicht verkehrt.

Hin und wieder kann es passieren, dass man Lobbykarten hat, deren Bedingungen einander entgegenstehen. Um dieses Problem weitestgehend zu minimieren, hat man daher die Auswahl aus 3 Karten, von denen man 2 wählen muss.

Letztendlich muss jeder für sich entscheiden, ob das Spiel zu einem und der Spielergruppe passt. Die Thematik, insbesondere die Illustration, wurden gut umgesetzt und mit den richtigen Personen macht es eine Menge Spaß. Man muss allerdings bereit sein, auch fies zu spielen und die Erde ein wenig auszubeuten, denn sonst hat man so gut wie keine Chance zu gewinnen. Das wird nicht jedem gefallen und kann für Frust sorgen.

Name: Kyoto
Erscheinungsjahr: 2020
Spieler: 3 – 6
Alter: ab 10 Jahren
Dauer:  30 – 45 min
Autor(en): Sabine Harrer, Johannes Krenner
Verlag: Deep Print Games / Pegasus Spiele

Kyoto
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